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Am Unglücksort. Das Geländer konnte den Sturz des Autos in die Dahme in Köpenick nicht verhindern.

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Nach dem tödlichen Unfall in Berlin-Köpenick: Vorerst kein Ersatz für Unglücksbrücke an der Dahme

Nach dem tödlichen Unfall an der Langen Brücke fordert ein Verkehrsexperte den Abriss des fast 20 Jahre alten Provisoriums. Doch das Gegenteil ist absehbar: Die Original-Brücke nebenan ist schon wieder baufällig.

Der tödliche Unfall an der Langen Brücke vom Dienstag kann ein juristisches Nachspiel haben, das das Land in die Bredouille bringt. Davon ist Michael Cramer, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament, überzeugt. „Dass die Behelfsbrücke dort immer noch steht und benutzt wird, ist meiner Ansicht nach illegal“, sagt Cramer, der jahrelang verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus war. Er verweist darauf, dass für die Brücke nie ein Planfeststellungsbeschluss – die für größere Projekte vorgeschriebene, aufwendigere Variante einer Baugenehmigung – erteilt wurde, weil sie nur als Provisorium für die Sanierung der ursprünglichen Langen Brücke aus dem Jahr 1892 vorgesehen war.

Wie berichtet war ein Auto mit vier jungen Leuten von der nur durch ein filigranes Geländer gesicherten Brückenrampe in die Dahme gestürzt. Zwei Insassen konnten sich selbst befreien, die anderen wurden erst nach mehr als einer halben Stunde von Feuerwehrtauchern geborgen und starben später im Krankenhaus.

„Diese Behelfsbrücke muss sofort gesperrt und abgerissen werden“, lautet Cramers Fazit. Doch tatsächlich zeichnet sich das Gegenteil ab: Die aus zwei nebeneinander liegenden Einzelsegmenten bestehende Stahlkonstruktion wird wohl sogar das backsteinerne Original überleben. In der Finanzplanung des Landes sind ab 2017 bereits 11,5 Millionen Euro für den „Neubau der Langen Brücke über die Dahme“ vorgemerkt. Die eigentlichen Bauarbeiten sollen frühestens 2019 beginnen.

An dieser Stelle schleuderte der Opel über die Böschung und fiel knapp zehn Meter tief ins drei Grad kalte Wasser.
An dieser Stelle schleuderte der Opel über die Böschung und fiel knapp zehn Meter tief ins drei Grad kalte Wasser.

© dpa

In den vergangenen drei Jahren krachte es hier 36 Mal

Als Alternative dürften die Behelfsbrücken während der Bauphase unentbehrlich sein, zumal die stark befahrene Dahmequerung schon jetzt ein Nadelöhr ist. Die im Bezirk als optischer Schandfleck und enorme Lärmquelle verrufenen Stahlbrücken sollten ursprünglich nach Eröffnung der als Altstadtumfahrung gebauten Spindlersfelder Straße im Jahr 2002 verschwinden. Dann war von 2007 die Rede. Jetzt dürfte es frühestens 2025 werden – sofern der benachbarte Neubau pünktlich fertig wird. Dann sind die Behelfsbrücken 30 Jahre alt. Erfahrungsgemäß dürfte es noch länger dauern, zumal Details des Neubaus noch völlig offen sind: Da die alte Brücke unter Denkmalschutz steht, soll auch ihre Erhaltung geprüft werden. Dagegen spricht, dass die Generalsanierung von 1995 bis 1998 „nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat“, wie es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt. An der alten Brücke gebe es weiter „ständige Bewegungen und große Risse, die einfach nicht zur Ruhe kommen“, sagt eine Sprecherin. Deshalb sei sie weiter nur eingeschränkt für den Verkehr freigegeben.

Nach der Tragödie versammelten sich Freunde und Angehörige der Opfer am Unfallort. Sie hinterließen Blumen und Kerzen.
Nach der Tragödie versammelten sich Freunde und Angehörige der Opfer am Unfallort. Sie hinterließen Blumen und Kerzen.

© dpa

Im Gegensatz zu Cramer ist die Stadtentwicklungsverwaltung überzeugt, dass das benachbarte Dauerprovisorium samt der durch den Unfall berühmt gewordenen kurvigen Rampen rechtmäßig ist. Bereits 2002 berichtete die Verwaltung dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, dass die Brücke älter ist als die Vorschrift, die den Planfeststellungsbeschluss verlangt. An diesem Bestandsschutz ändere sich auch durch die verlängerte Nutzungsdauer nichts. Außerdem erfülle sie alle geltenden Normen und Vorschriften. Mit diesem Verweis hatte die Verwaltung auch das Fehlen einer Schutzvorrichtung im Bereich der kurvigen Auffahrt gerechtfertigt. Nach Tagesspiegel-Informationen ist in den 1990ern vor allem aus Zeitdruck auf das Planfeststellungsverfahren verzichtet worden. Die vereinfachte Planung bedeutet nicht automatisch Abstriche bei der Sicherheit. Denkbar wäre aber, dass sonst eine beteiligte Behörde beispielsweise Bedenken gegen die Rampenkonstruktion angemeldet hätte.

Ob die Rampe mit Stahlseilen gesichert wird, soll nach dem katastrophalen Absturz des Autos geprüft werden. Bisher ist die Stelle nicht als Unfallschwerpunkt aufgefallen: Nach Auskunft der Polizei krachte es in den vergangenen drei Jahren insgesamt 36 Mal, wobei es sich meist um kleinere Auffahrunfälle und seitliche Berührungen gehandelt habe.

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