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Ein Platz zum Schlafen reicht ihnen nicht. Die Flüchtlinge verlangen Bewegungsfreiheit und das Recht zu Arbeiten. Das machen sie auch öffentlich geltend.

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Nach Flüchtlingssturm auf die BVV: Monika Herrmann: "Das war ja nicht so schlimm"

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann findet den Auftritt der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer in der Bezirksverordnetenversammlung nicht weiter schlimm. Der Neuköllner Stadtrat meint hingegen: "Bei uns hätte es das nicht gegeben."

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Gelassen gibt sich Bürgermeisterin Monika Herrmann nach dem Tumult in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwoch. Bei der Sitzung waren das Rednerpult besetzt und der Saal okkupiert worden. Herrmanns Kommentar am Donnerstag: „Das war ja nicht so schlimm.“ Sie sagte weiter: „Es waren rund 250 Leute, sie haben eine halbe Stunde lang ihre Parolen skandiert, danach verlief die Sitzung aber erstaunlich diszipliniert.“ Man dürfe sich nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn Rassismusvorwürfe erhoben würden und „Nazis!“ gebrüllt werde: „Jeder spielt da in gewisser Weise seine Rolle.“

"Da kommen welche, besetzen Stühle, rauchen, kiffen, unterbinden den demokratischen Diskussionsprozess"

Diese entspannte Haltung teilen längst nicht alle. Der Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU), der mit Herrmann nach eigenen Angaben auf vielen Fachgebieten gut zusammenarbeitet, sagte: „Bei uns in Neukölln hätte es das nicht gegeben. Da wäre die Polizei gekommen und hätte für Ordnung gesorgt. Das muss man sich mal vorstellen: Da kommen welche, eignen sich unser Kommunalparlament an, besetzen Stühle, rauchen, kiffen, unterbinden den demokratischen Diskussionsprozess und erwarten dann noch, dass ihre Forderungen von der Gesellschaft erfüllt werden.“ Das gehe ja wohl überhaupt nicht. Ob tatsächlich gekifft worden ist, konnte unterdessen nicht sicher festgestellt werden.

Die BVV konnte am Mittwochabend ihre Sitzung nicht wie geplant beginnen, weil rund 20 Besetzer Plätze von Stadträten und BVV-Mitgliedern eingenommen hatten. Gleichzeitig hielt ein Sprecher der Flüchtlinge das Rednerpult besetzt und skandierte lautstark Parolen. Niemand versuchte, ihn daran zu hindern. Die Polizei war mit einer Hundertschaft vor dem Gebäude präsent, auch im Foyer hielten sich Beamte auf. Laut Sprecher Michael Gassen wurde die Polizei aber von keinem Vertreter der BVV gebeten einzugreifen. In der Sitzung sollte über die Zukunft des Camps auf dem Oranienplatz und der besetzten Schule in der Ohlauer Straße diskutiert werden.

„Mord, Folter, Deportation, das ist deutsche Tradition“

Auf der Zuschauertribüne, die nahezu komplett mit Aktivisten gefüllt war, bildeten sich immer wieder ohrenbetäubend laute Sprechchöre, wie sie auch auf der Revolutionären 1.-Mai-Demo zu hören sind: „Anti-Anti-Antikapitalista“ oder „Mord, Folter, Deportation, das ist deutsche Tradition“. Während Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) vergeblich versuchte, einen Flüchtling zum Verlassen seines Platzes zu überreden, zog sich der Ältestenrat zur Krisensitzung zurück. Die CDU-Fraktion erklärte, sie würde nicht länger an der BVV teilnehmen.

Anschließend wurde kurz mit den Aktivisten verhandelt. Sie erklärten sich bereit, die Plätze zu räumen, blieben aber als Beobachter im Saal und verlangten, dass alle Redebeiträge ins Englische übersetzt werden. Ein Übersetzer der Aktivisten fragte in Richtung Zuschauertribüne: „Seid ihr einverstanden, dass die Sitzung beginnt?“ Das Publikum signalisierte Zustimmung, von nun an übernahm der BVV-Vorstand die Regie. Im weiteren Verlauf kam es nur noch zu einzelnen Zwischenrufen oder Sprechchören.

Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sagte in ihrer Rede zur Flüchtlingspolitik nichts zur BVV-Besetzung. Sie lobte das Engagement des Übersetzers und erklärte: „Das Bezirksamt unterstützt weiterhin den Protest am Oranienplatz und teilt die politischen Forderungen der Flüchtlinge.“ Man habe einstimmig entschieden – also mit den Stimmen der Stadträte von SPD und Linken–, der Aufforderung des Innensenators zur Räumung des Platzes nicht nachzukommen.

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