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Die Polizei griff auf den Querdenken-Demos ein, die trotz Demonstrationsverbot stattfanden.

© Fabian Sommer/dpa

Nach "Querdenken"-Protesten am Wochenende: UN-Berichterstatter will Stellungnahme zu Polizeigewalt in Berlin

Als "besorgniserregend" bezeichnete UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer einige Videos der Querdenken-Demonstrationen. Er bittet um Stellungnahme.

Der Verdacht auf übermäßige Polizeigewalt bei Berliner Demonstrationen der "Querdenken"-Bewegung haben den UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf den Plan gerufen. Der Schweizer Rechtsprofessor Nils Melzer will bei der Bundesregierung kommende Woche um eine Stellungnahme bitten, wie er am Donnerstag sagte. Die Bundesregierung hat dann 60 Tage, um darauf zu antworten.

"Es sind einige Videos verbreitet worden, die Besorgnis erregend sind", sagte Melzer. "Die Hinweise sind stark genug, dass möglicherweise Menschenrechtsverletzungen begangen wurden." Er habe bereits mit Augenzeugen gesprochen. Es gehe nach erstem Augenschein womöglich um ein Dutzend Vorfälle. Der UN-Sonderberichterstatter hat sonst mit Polizeigewalt etwa in Hongkong oder Belarus zu tun. "Deutschland ist kein großer Kunde bei mir", sagte er.

Melzer verweist etwa auf ein Video, in dem ein Polizist eine Frau am Hals packt und zu Boden stößt. "Die hätte sterben können", sagt Melzer. Von der Frau sei keine Gefahr ausgegangen, aber der Beamte habe eine Technik der Selbstverteidigung angewendet, statt schlicht eine Ordnungswidrigkeit zu verhindern. Auf anderen Videos sei ein Mann zu sehen, der blutig geschlagen wurde, obwohl er in Handschellen am Boden lag, oder jemand, der von hinten vom Fahrrad gerissen wurde.

Bei einer Demonstration mit tausenden Menschen, die angeordnete Maßnahmen ignorierten aber nicht gewalttätig seien, müsse anders reagiert werden, sagte Melzer. "Das ist ein Kommunikations-, kein Gewaltproblem. Da ist eine gepanzerte Polizeitruppe vielleicht nicht die richtige Antwort."

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Die deutsche Regierung müsse bei Rechtsverstößen durch die Polizei rechtliche Schritte einleiten. Dabei gehe es auch um die Entschädigung von Opfern und Präventionsmaßnahmen.

Die Tatsache, dass er hinschaue, löse hoffentlich ein Umdenken aus, sagte Melzer. Zunehmende Polizeigewalt sei ein weltweiter Trend. Polizeikräfte würden zunehmen militarisiert. Dann betrachte sich die Polizei nicht mehr als Freund und Helfer. "Das scheint mir eine gefährliche Eskalationsspirale zu sein."

Berliner Polizei sah sich Vorwurf übermäßiger Gewalt ausgesetzt

Nach den Auseinandersetzungen bei illegalen Versammlungen von Querdenkern und Kritikern der Coronapolitik in Berlin sah sich die Berliner Polizei dem Vorwurf übermäßiger Gewalt ausgesetzt. Bislang seien entsprechende Anzeigen „im mittleren zweistelligen Bereich“ eingegangen, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstag, nachdem die „Berliner Zeitung“ berichtet hatte.

Diese würden momentan geprüft, so dass noch keine Aussage über die Zahl daraus resultierender Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte möglich sei. Man habe auch die Prüfung mehrerer Videos veranlasst, die im Internet kursieren. In einem Fall sei hier bereits ein Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet worden.

Trotz eines Verbots großer Demonstrationen, darunter solchen sogenannter „Querdenker“, waren am Sonntag mehrere Tausend Menschen durch die Hauptstadt gezogen. Sie versammelten sich immer wieder in Gruppen in verschiedenen Teilen der Stadt, mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizeikräften.

Mehr als 60 Polizistinnen und Polizisten seien dabei zum Teil schwer verletzt worden, bilanzierte die Polizei am Montag und sprach von einer hohen Gewaltbereitschaft mancher Demonstranten. Mehr als 500 Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer der Proteste wurden eingeleitet. (dpa)

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