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Berlin: Nach risikoreichen Geschäften: WBM droht die Insolvenz

Der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) droht die Pleite, wenn nicht kräftig gegengesteuert wird. Im schlimmsten Fall verfügt das landeseigene Unternehmen am Jahresende nur noch über 385 000 Euro liquide Mittel.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) droht die Pleite, wenn nicht kräftig gegengesteuert wird. Im schlimmsten Fall verfügt das landeseigene Unternehmen am Jahresende nur noch über 385 000 Euro liquide Mittel. Im März 2006 könnte die WBM zahlungsunfähig werden. Dieses dramatische Szenario präsentierte die neue Geschäftsführung dem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) während des jährlichen „Gesellschaftergesprächs“.

Eine Sprecherin der WBM bestätigte dies gestern. „Wir haben eine konsequente Bestandsaufnahme gemacht und arbeiten hart an einem Sanierungsprogramm.“ Zum Beispiel sollen künftig noch mehr Wohnungen an private Eigentümer verkauft werden. Der Personalbestand, zurzeit 720 Mitarbeiter, soll auf weniger als 500 verringert werden. „Auf betriebsbedingte Kündigungen werden wir wohl nicht verzichten können“, sagte die Sprecherin der WBM, Steffi Pianka. Mit den Gläubigerbanken – unter anderem die Investitionsbank Berlin und die Bankgesellschaft – soll über Umschuldungen und die Aussetzung von Tilgungszahlungen verhandelt werden. Das gesamte Unternehmen wird reorganisiert. Alle Töchter, auch die Wohnungsverwaltung IHZ, sollen wieder unter das Dach der WBM geholt werden, was auch für die Mieter mehr Klarheit schafft.

Der Chef des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, reagierte überrascht. „Die WBM galt doch immer als eine der reicheren Wohnungsgesellschaften.“ Er befürchtet nun, dass bei der Sanierung und Pflege des Wohnungsbestands gespart werden könnte. „Ein klammer Vermieter gibt dafür ungern Geld aus.“ Außerdem kritisierte er die fortschreitenden Privatisierungen. Noch bewirtschaftet die WBM über 50 000 Wohnungen; davon 12 100 im Bezirk Mitte. Außerdem wird eine Gewerbefläche von 364 000 Quadratmetern verwaltet. Gewagte Projekte, vom Nikolaiviertel über das Haus des Lehrers bis zu den Rathaus-Passagen, haben zu den finanziellen Schwierigkeiten erheblich beigetragen. Ende 2004 wies die WBM ein Minus von 45 Millionen Euro aus. Die Schulden lagen bei 1,226 Milliarden Euro.

Die Vermietung der Wohnungen ist offenbar nicht das Problem. Die Leerstandsquote liegt dem Vernehmen nach unter sechs Prozent. Aber die falsche Unternehmenspolitik hatte den Senat in diesem Frühjahr veranlasst, die Geschäftsführung abzulösen und den Wirtschaftsforscher Ulrich Pfeiffer, ein Vertrauter Sarrazins, zum Aufsichtsratschef zu machen. In den zuständigen Senatsverwaltungen wurde gestern die „schwierige Situation“ der WBM bestätigt. Alle öffentlichen Wohnungsunternehmen würden „schonungslos analysiert und noch strenger kontrolliert“, sagte eine Sprecherin der Senatorin Junge-Reyer. Sie sollen sich künftig auf ihr Kerngeschäft – die Vermietung von Wohnungen – konzentrieren. Trotzdem werden die Unternehmen noch lange ein Problem bleiben. Alle sechs Gesellschaften haben 2004 einen Gesamtverlust von 35,1 Millionen Euro produziert. Die Verschuldung lag bei fast 8,1 Milliarden Euro. Der Grünen-Haushälter Oliver Schruoffeneger warnte gestern vor weiteren „unangenehmen Überraschungen“. Die Situation der WBM sei nur die Spitze des Eisbergs. Der FDP-Haushaltsexperte Erik Schmidt forderte, dass sich Berlin mittelfristig von allen Wohnungsbaugesellschaften trennen müsste. Ihr Wert nähme von Jahr zu Jahr ab.

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