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Berlin: Kurt Schröder (Geb. 1927)

Beeindruckende Oberarme, markanter Kopf: ein Porzellanmaler.

Zwölf Stunden konzentrierte Arbeit am Detail – das war das Minimum, Tag für Tag. Ruhig hielt er die zerbrechliche Form in der Hand und führte den feinen Haarpinsel über die Oberfläche. Strich für Strich verwandelte er das Porzellanstück in ein Kunstwerk. Eine einzige unkontrollierte Bewegung, und die Arbeit war zunichte. Ein missglücktes Motiv musste komplett abgewischt werden. So ging auch das kostbare Goldpulver für die Dekore verloren, das sich, einmal verdünnt und aufgetragen, nicht neu verwenden ließ.

Noch in seiner Lehrzeit bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur studierte er die Pracht von Blumen und Blüten. Unzählige Aquarelle von leuchtenden Blütenkelchen und feinschattigen Blätterranken fertigte er, bis sein Malstil auch auf den kostbaren Edeltonwaren unverwechselbar wurde. Nie malte er eine Blume identisch oder ein zweites Mal, immer variierte oder platzierte er sie anders auf der Form. So leicht und luftig erschienen seine Blumenbouquets, dass Sammler aufseufzten, wenn sie sie musterten.

Eines wusste er von Anfang an: „Begabung ist nichts, Fleiß alles.“ Sein Vater war Ziegelbauer in Zehdenick an der Havel, das Milieu, in dem er aufwuchs, selbst so hart wie Klinker. Für eine höhere Schule reichte das Geld nicht. Es blieb der Weg über die Kunst. Sein Zeichentalent erregte früh Aufsehen: „Mach was draus, bleib hier nicht Arbeiter“, riet ihm der Kunstlehrer an der Schule. Nach dem Volkschulabschluss stellte er sich bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin vor, KPM.

Kaum war der Krieg überstanden, schloss er die Ausbildung zum Porzellanmaler ab und wurde Nachfolger des scheidenden Meisters. Seine Arbeiten fielen auf.

Seine Herkunft konnte er nie ganz hinter sich lassen. Schnell war er Kumpel mit jedem, der ihm unverkrampft erschien. Akademiker betrachtete er mit Skepsis, obwohl einige seiner treuesten Freunde Richter, Politologen und Ärzte waren. Manchem jungen Nachwuchsmaler, der bei ihm lernte, half er mit Geld über die Runden und verteidigte ihn vor der Leitung. Wenn einer Probleme mit Drogen hatte, dramatisierte er das nicht – nur die Arbeit musste stimmen. Wer ihn jedoch belog, den ließ er gnadenlos fallen. Als er feststellte, dass in der KPM das Parteibuch mehr zählte als fachliche Qualifikation, sagte er offen seine Meinung. Die hochwertige Produktion auf dem Altar politischer Selbstherrlichkeit opfern? Ohne ihn! 1976 nahm er ein Angebot der Höchster Porzellan-Manufaktur an, zog nach Frankfurt am Main und übernahm die künstlerische Leitung.

Dieses Mal machte er nicht den Fehler, sich in der Entscheidungsfreiheit beschränken zu lassen. „Nie darfst du auf jemanden angewiesen sein. Der andere muss auf dich angewiesen sein“, riet er seinem Sohn. Der eine oder andere kaufmännische Leiter bekam seinen Durchsetzungswillen zu spüren. Der ökonomische Erfolg seiner anspruchsvollen Produktionslinien gab ihm Recht. Seine Werke zierten bald die hochgesicherten Vitrinen von Königshäusern und wanderten in die Kunstkammern des Vatikans. Zum Erstaunen seiner eigenen Mitarbeiter war er in allen Genres der Porzellanmalerei genauso gut wie jeder der dafür angestellten Spezialisten. Die Arbeit ging ihm über alles. Auch über das schlechte Gewissen, kaum Zeit mit seiner Frau und dem Sohn zu Hause in Berlin zu verbringen.

Manch einer auf den herrschaftlichen Soireen der Frankfurter Geschäftswelt, auf die er eingeladen wurde, hielt ihn für einen Exoten. Andere erzählten ihm mit großer Begeisterung von der Gattin, die auch Töpfe bemale. So etwas traf ihn hart. Er besaß wohl beeindruckende Oberarme und einen markanten Kopf, aber sein Kunstsinn war deshalb noch lange nicht grob austariert.

Als sein Sohn einen Ruf als Professor an der Charité erhielt, war er stolz. Dessen akademische Ausbildung war ihm immer wichtig gewesen, auch dafür hatte er gemalt. In der Obhut seines Sohnes schlief er nach einer unerwarteten Spätfolge einer alten Operation auch friedlich ein. Davor hatte er noch den Katalog seiner großen Porzellan-Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt begutachtet. Er war zufrieden. Stephan Reisner

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