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Theoretisch dürfen die „Spätis“ an Feiertagen gar nicht öffnen – oder nur ganz bestimmte Artikel verkaufen. In der Praxis wird diese Vorschrift gewöhnlich ignoriert.

© Kai-Uwe Heinrich

Nachschub unterbrochen: Kein Getränkeverkauf am 1. Mai

Die Berliner Spätverkaufsstellen müssen am 1. Mai schließen, damit Krawallmacher keine Flaschen und Dosen kaufen können. Die Betreiber sind sauer, obwohl die Bezirksämter mit der Anweisung nur geltendes Recht durchsetzen.

Die Mitarbeiter der vielen Spätverkaufsstellen rund um den Mauerpark können am 1. Mai guten Gewissens freinehmen. Das Bezirksamt Pankow hat ihnen nämlich schriftlich mitgeteilt, dass ihre Läden am Feiertag geschlossen bleiben müssen. Ziel ist nicht nur, den Nachschub an potenziellen Wurfgeschossen wie Flaschen und Dosen zu begrenzen, sondern auch, das Ladenöffnungsgesetz durchzusetzen, das bisher gewohnheitsmäßig missachtet wird. Denn das erlaubt an Feiertagen ausschließlich den Verkauf von Brötchen, Blumen, Zeitschriften und Milchprodukten – und das nur von 7 bis 16 Uhr. Am 30. April – also zur ebenfalls krawallträchtigen Walpurgisnacht – darf allerdings wie üblich bis Mitternacht geöffnet bleiben, denn das ist ein Montag. Das im Mauerpark vom 30. April mittags bis 1. Mai morgens geltende Flaschenverbot soll die Polizei durchsetzen.

Inci Ilkay, die mit ihrem Mann den Spätkauf „Bonjour Prenzlauer Berg“ in der Danziger Straße betreibt, kennt das Verfahren: Seit drei Jahren bekomme sie vor dem 1. Mai einen Brief vom Ordnungsamt. „Darin steht, dass wir um Punkt null Uhr schließen müssen.“ In ihrem Laden verkauft sie Getränke, Zeitungen, Süßigkeiten und Zigaretten. Aus Angst vor Bußgeldern will sie sich an die Vorgabe des Amtes halten. „Letztes Jahr habe ich gesehen, wie die Polizei am 1. Mai durch Kreuzberg gegangen ist und Spätis geschlossen hat“, sagt Ilkay. Sie erwarte, dass sich auch dieses Jahr viele Ladenbesitzer nicht an das Gesetz halten – was sie versteht: „Die Spätis verdienen einmal im Jahr richtig Geld, und dann wird es ihnen verboten. Das finde ich schade.“

Von den Anzeigen des Bauarbeiters, der dem Ordnungsamt vor rund einem Monat insgesamt 48 Verstöße gegen Sonntagsschließzeiten meldete, war Ilkay nicht betroffen. Schon vor Jahren hätten Mitarbeiter des Ordnungsamtes sie regelmäßig kontrolliert. Weil sie die Öffnungszeiten von 16 Uhr überzog, bekam Ilkay eine Mahnung samt Bußgeldbescheid. Seitdem schließe sie pünktlich. „Sonst kann ich ja gleich das Geld, das ich sonntags verdiene, ans Ordnungsamt zahlen“, sagt sie. Die meisten Läden um sie herum missachteten diese Vorgabe.

Der Spätkauf Kollwitz 66 hatte sich gegen die Anzeigen des Mannes gewehrt und dessen Namen samt Telefonnummer ins Fenster gehängt. Ob sie am 1. Mai schließen müsse, wisse sie nicht, sagt eine Mitarbeiterin am Mittwoch. „Wir haben noch kein Schreiben vom Ordnungsamt bekommen. Zu rechnen ist mit allem.“

Was die Verkäufer ärgert, ist allerdings nur die Anwendung gültigen Rechts. Nach Auskunft des Pankower Ordnungsstadtrats Torsten Kühne (CDU) wurden 94 Adressaten rund um den Mauerpark angeschrieben, „die bei vergangenen Kontrollen mehrfach aufgefallen sind“. Bei einem erneuten Verstoß könne die Polizei sie sofort schließen, zumal die Rechtslage eindeutig sei. Betroffen seien ausschließlich kleine Läden mit teilweise wechselnden Betreibern. Nils Busch-Petersen vom Handelsverband findet diese Handhabe in Ordnung, da die Läden werktags rund um die Uhr öffnen dürfen und der Maifeiertag durchs Grundgesetz geschützt sei wie Weihnachten. Auch das Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg achtet rund um das Myfest strikt darauf, das keine Flaschen und Dosen verkauft werden. Stefan Jacobs / Annika Sartor

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