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Nachtfluggegner: Das wird keine Kurzstrecke

Den Nachtfluggegnern bleiben eine Verfassungsklage oder eine Beschwerde in Straßburg. Sie haben wenig Aussicht auf Erfolg, hoffen aber noch immer - auch auf ein Volksbegehren.

Der Weg wird steinig. Wenn die Nachtfluggegner beim künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ in Schönefeld weiter vor Gericht Erfolg suchen wollen, müssen sie sehr hohe Hürden überwinden. Die Chancen könne man erst ausrechnen, wenn die schriftliche Begründung des Urteils vom Bundesverwaltungsgericht vorliege, sagte am Freitag Frank Boermann, einer der Klägeranwälte. Die Richter hatten am Donnerstag entschieden, dass Flüge auch nachts zulässig sein werden. Ein Flugverbot gibt es nur zwischen 0 Uhr und 5 Uhr, wobei es aber auch Ausnahmen gibt.

Der nächste Schritt wäre jetzt der Gang vors Bundesverfassungsgericht. Die Kläger könnten sich dabei auf Artikel 2 des Grundgesetzes berufen, in dem es im zweiten Absatz heißt: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Die Nachtfluggegner argumentieren, der Krach in der Nacht sei gesundheitsgefährdend, was mehrere Gutachten bewiesen hätten.

So heißt es, wie berichtet, unter anderem in einer Studie des Umweltbundesamtes: „Für Herz- und Kreislauferkrankungen ist nachgewiesen: Im Vergleich zu Personen, die keinem Fluglärm ausgesetzt sind, steigt das Erkrankungsrisiko betroffener Personen mit zunehmender Fluglärmbelastung. Auch bei psychischen Erkrankungen findet sich ein relevanter Befund: Bei Frauen sind die Erkrankungsrisiken für Depressionen signifikant erhöht.“ Der Präsident des Amtes, Jochen Flasbarth, hatte im Vorfeld ein striktes Flugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr gefordert.

Stützen könnten sich die Kläger bei einer Verfassungsbeschwerde auch auf den Satz „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet“ in Artikel 14 des Grundgesetzes. Durch den Flugbetrieb und den damit verbundenen Lärm würden die Grundstücke in Flughafennähe und unter den Flugrouten entwertet und dadurch das Recht am Eigentum verletzt, sagen die Betroffenen. Juristen bezeichnen die Erfolgsaussichten hier aber als sehr gering. Der Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht ist ohnehin schwierig. Und die Klagebegründung kann schnell auf rund hundert Seiten wachsen, um überhaupt Aussicht auf Erfolg zu haben.

Lesen Sie auf Seite 2, warum die Fluggegner auf das Volk hoffen.

Bereits nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausbau des Flughafens 2006 hatten Kläger auf das höchste deutsche Gericht gesetzt. Die Richter hatten aber damals die Beschwerde gegen den Ausbau in Schönefeld gar nicht erst angenommen. Sie verneinten die Verletzung eines Verfassungsrechts.

Sollten die Kläger auch jetzt wieder diesen Weg gehen, bliebe ihnen nach einem erneuten Scheitern in Karlsruhe noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der überprüft, ob die Europäische Menschenrechtskonvention eingehalten worden ist. Meist werden die Beschwerden aber auch in Straßburg ohne Verfahren für unzulässig erklärt. Es gibt aber auch spektakuläre Erfolge: So hat der Gerichtshof 2009 die in Deutschland praktizierte nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher gekippt. Die angenommenen Verfahren erstrecken sich in der Regel über mehrere Jahre. Bis zu einer möglichen Entscheidung wäre der Flughafen jahrelang – mit den Nachtflügen – in Betrieb.

Hoffnung setzen die Nachtfluggegner auch auf die Volksinitiativen in Berlin und Brandenburg. Im gemeinsamen Landesentwicklungsprogramm soll neu formuliert werden, dass in Schönefeld kein planmäßiger Nachtflug stattfindet und der Flugverkehr nicht allein auf den Ballungsraum Berlin konzentriert wird. In beiden Ländern sind so viele Unterschriften gesammelt worden, dass sich, sollten genügend gültig sein, die Parlamente nochmals damit beschäftigen müssen. Ändern sie den Plan nicht, wollen die Brandenburger ein Volksbegehren einleiten. Ob dies erfolgreich sein kann, bezweifeln auch Berliner Befürworter. Nötig wären dann in der Stadt rund 170 000 Unterschriften. In der aktuellen Onlineumfrage des Tagesspiegels hielten am Freitag aber 63 Prozent der Teilnehmer die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für richtig.

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