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Abgefahren. Endlich fährt die U-Bahn wieder zwischen Friedrichstraße und Französischer Straße.

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

Nahverkehr in Berlin: U-Bahnline 6 nach 17 Monaten wiedereröffnet

BVG-Fahrgäste können aufatmen: Die fast anderthalbjährige Unterbrechung der U-Bahnline 6 ist beendet, und damit entfällt der Fußmarsch zwischen den Stationen Friedrichstraße und Französische Straße. Aber schon bald heißt es in Mitte erneut umsteigen - bei der S-Bahn.

Die papiernen Netzpläne in Bahnhöfen und Zügen haben keine Ahnung und zeigen die U6 noch mit Lücke. Aber Daisy weiß Bescheid und trägt die frohe Kunde in die Stadt: „Unterbrechung beendet! Die U6 fährt wieder durchgehend von Alt-Tegel bis Alt-Mariendorf.“ So steht es am Sonntag auf allen elektronischen Anzeigern der BVG.

Auf allen? Nein, denn ausgerechnet der an der Französischen Straße – wo die Züge in den vergangenen 17 Monaten baubedingt endeten und wendeten – hat die Technik an diesem besonderen Sonntag ihren Geist aufgegeben und zeigt nur „Alt Tegel Alt Tegel“.

Viele Fahrgäste, die an diesem Tag unterwegs sind, wissen es aber ohnehin. Ein paar ganz harte Nahverkehrsfans hatten sich schon frühmorgens zur ersten Fahrt auf den neuen Gleisen zwischen Französischer und Friedrichstraße verabredet. Aber von Eventtourismus kann keine Rede sein. Die Servicefrau von der BVG, die nach eigenem Bekunden seit morgens um fünf auf dem Bahnsteig mit dem verwirrten Anzeiger ausharrt, hat wenig zu tun. Immer mal wieder komme jemand von der Friedrichstraße her gelaufen – wohl gewohnheitsmäßig, weil sich die Lücke zu Fuß am schnellsten überbrücken ließ. Ansonsten hat sie Zeit, Touristen beim Fahrscheinkauf zu assistieren und sich auf ihren Feierabend bei ihren fünf Katzen und dem Hund zu freuen. Ein griechischer Straßenhund, furchtbar ängstlich und durch den Wind, weil er wohl mal sich selbst überlassen wurde.

Das unterscheidet ihn von den Kunden der BVG: Außer Daisy und der Servicefrau künden auch große Schilder vorn in den Zügen vom Lückenschluss auf dieser Verbindung, die bald noch wichtiger wird: Vom kommenden Freitagabend bis zum Morgen des 9. Dezember erneuert nämlich die S-Bahn im Nord-Süd-Tunnel die Gleise zwischen Anhalter und Nordbahnhof. Dann wird die U6 als Alternative zwischen Ring und City gebraucht. „Hier müsste ja gleich die neue Station kommen“, sagt ein Fahrgast zu seiner Begleiterin, während der Zug zur Friedrichstraße braust. Pah! Verpasst hat er sie, die neue Station, für deren Bau die U6 unterbrochen war: Sie folgte direkt hinter der Französischen Straße und war nur an ein paar Rigipswänden mit Neonröhren erkennbar. Einen Bahnsteig gibt’s noch nicht – und von dem darunter liegenden, ebenfalls noch lange nicht fertigen Kreuzungsbahnhof der neuen U 5 ist erst recht nichts zu merken. Es geht einfach flott geradeaus durch. Nur wer genau drauf achtet, ahnt den Wechsel vom alten aufs neue Schienenstück.

Für die Fachleute war es nicht ganz so einfach: Bei der BVG waren sie erleichtert, weil ihnen keine Zeit zum Testen der Strecke mit Zügen geblieben war. Gleise und Stromschienen zu verbinden, ist nicht schwierig. Ungewiss sei aber bis zuletzt, ob die komplizierte Signaltechnik funktioniere, sagte BVG-Bauchef Uwe Kutscher. Aber anders als bei manchen früheren Baustellen klappte diesmal alles.

Der Kioskbetreiber an der Französischen Straße hat seinen Laden am Sonntag gar nicht erst geöffnet. Er ahnte wohl, dass ihm die Aussteiger fehlen werden, die als Flaneure obendrein der Friedrichstraße zu einem Besucherboom verholfen hatten. Der Ersatzverkehr auf Schusters Rappen führte ja auch am Kulturkaufhaus vorbei, das zu spontanen Abwegen verführt. Nun künden nur noch die Ränder der vom Gehweg abgelösten gelben Fußtapsen von der Völkerwanderung. Vielleicht sind die vermeintlichen Irrläufer, von denen die BVG-Frau berichtete, ja bewusst gewandert. Weil sie auf den Geschmack gekommen sind und weil es oben mehr zu sehen gibt. Aber schneller geht’s unten.

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