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Im Oktober sprühte Babylon-Chef Timothy Grossmann Davidsterne auf die Eingangstüren des Kinos. Die "Kunstaktion" stieß auf viel Ablehnung.

© Fabiana Zander Repetto

Babylon Kino in Berlin-Mitte: Nazi-Symbole waren Hilferuf des Geschäftsführers

Der Konflikt um das Babylon-Kino schwelt seit Jahren. Der Geschäftsführer spricht von Psychoterror und erklärt die Nazi-Symbolik vor seinem Kino.

Davidsterne prangen an den Glastüren des Kinos Babylon in Mitte. Darüber steht: „Boykott! Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht im Babylon.“ Angebracht hat das der Geschäftsführer des Kinos selbst, Timothy Grossmann. „Das ist mein Hilferuf “, sagt er tags darauf. Mit seiner Assistentin Barbara Löblein sitzt er auf grünen Polsterstühlen vor den Kinosälen.

Die beiden sehen müde aus. Seit Sommer wird das Babylon von Verdi-Mitgliedern bestreikt, die eine Lohnerhöhung fordern. Was wie ein gewöhnlicher Tarifkonflikt scheint, ist kompliziert. Die Situation im Haus sei nicht mehr zu ertragen gewesen, sagt Grossmann über seine Aktion.

Hausinterne Konflikte schon seit 2009

Mit der Situation meint er den hausinternen Konflikt mit einer Gruppe von Mitarbeitern. 2009 begannen diese, damals noch Mitglied der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft FAU Berlin, das Babylon zu bestreiken. Grossmann zog die Legitimität der Gruppe als Gewerkschaft in Zweifel, was später durch das Arbeitsgericht bestätigt wurde. Seitdem hegten die Mitarbeiter einen Groll gegen ihn, glaubt Grossmann.

Ein zweiter Vorfall betrifft einen jetzt beurlaubten Filmvorführer. Im Laufe mehrerer Jahre hatte er Plakate des jüdischen Klezmer-Sängers Mark Aizikovich verunstaltet. Ihm Vampirzähne gemalt und den Kopf ausgekratzt. Heraus kam dies nach einer Überwachung der Räume durch das LKA. Eine antisemitische Geste, auch in Richtung des jüdischen Geschäftsführers, ist dieser sich sicher. Vor diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, warum Grossmann seine eigenen Scheiben beschmierte. Er sagt: „Die Davidsterne an der Tür sind für mich fast wie eine Schutzmauer.“

Interne Konflikte Verdi nicht bekannt

Timothy Grossmann
Timothy Grossmann

© Kitty Kleist-Heinrich

Den Streik versteht er als Teil einer Diffamierungskampagne. Als er letzte Woche aus dem Urlaub kam, hingen Verdi-Poster in seinem Wohnhaus: „Damit auch jeder Nachbar sehen kann, was für ein Ausbeuter ich bin.“ Verdi-Fachbereichsleiter Medien, Andreas Köhn sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass dies tatsächlich der Fall gewesen sein. "Ich weiß auch nicht zu internen Konflikten", so Köhn.

Die Streikenden riefen Grossmanns Angaben zufolge in den letzten Wochen auch gezielt Veranstalter an und brachten diese dazu, Veranstaltungen im Kino abzusagen. Köhn machte deutlich, dass Verdi zu keinen Zeitpunkt Kontakt zu Veranstalter aufgenommen habe. Laut Grossmann waren die Anrufer Mitglieder des Betriebsrats. „Es geht ihnen darum, unsere Arbeit hier zu zerstören“, sagt er. Die Gruppe von Mitarbeitern, die nun in Verdi-Westen vor der Tür steht, benütze die Gewerkschaft, sagt Grossmann. „Das ist Psychoterror“, sagt er. „Mit normalem Streik hat das nichts mehr zu tun". Seine Assistentin wirkt angeschlagen, spricht von „Zermürbungsstrategie“: „Wir würden uns gerne endlich wieder auf unsere eigentliche Arbeit, nämlich das Programm, konzentrieren“, sagt sie.

Thees Uhlmann sagt Lesung ab

Das Babylon erhält auch Zuwendungen des Senats, 320.000 Euro waren es in diesem Jahr, 360.000 Euro sollen es ab 2016 sein. Aber wenn der Boykott weitergeht, Besucher und Veranstalter wegbleiben, dann sieht die Zukunft des Babylon düster aus. Am Donnerstag kündigte Thees Uhlmann an, seine noch am selben Abend stattfindende Lesung, aus dem Babylon in das Columbia Theater zu verlegen. Er schreibt aus seiner Webseite: „Wie es sich für mich darstellt, hat der Betreiber des Babylon sein Kino mit Symbolen und Sätzen aus dem Nazi-Regime beschmiert, um auf einen innerbetrieblichen Konflikt aufmerksam zu machen. Machen wir es einfach und kurz: wer Symbole und Sprüche aus der dunklesten Zeit Deutschlands und der ganzen Welt dazu nutzt, um auf seinen eigenen Kram aufmerksam zu machen, bei dem spiele, lese, rede ich nicht.“ Doch es gibt auch eine Reihe prominenter Unterstützer , darunter Volker Schlöndorff. Dieser schreibt: „Die Streitigkeiten eines Vorführers mit der Geschäftsführung gehen uns nichts an, seinen Aufruf zum Boykott, mit rassistischen Untertönen, sollten wir ignorieren. Und jetzt: Film ab!“

Pascale Müller

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