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Berlin: Neonazis und Autonome kamen sich in Mitte gefährlich nahe

Es waren weniger Neonazis als erwartet, doch die mitgeführten Transparente wirkten noch bizarrer als üblich: "Mein Freund ist Österreicher" und, als seien sie die besseren Autonomen, "Das System ist der Fehler" trugen rechtsextreme Skinheads gestern Nachmittag durch Mitte. Dem Aufruf der NPD zur Demonstration für das angeblich international bedrohte, weil von Haiders FPÖ mitregierte Österreich folgten nur 500 statt der befürchteten 1000 Neonazis.

Es waren weniger Neonazis als erwartet, doch die mitgeführten Transparente wirkten noch bizarrer als üblich: "Mein Freund ist Österreicher" und, als seien sie die besseren Autonomen, "Das System ist der Fehler" trugen rechtsextreme Skinheads gestern Nachmittag durch Mitte. Dem Aufruf der NPD zur Demonstration für das angeblich international bedrohte, weil von Haiders FPÖ mitregierte Österreich folgten nur 500 statt der befürchteten 1000 Neonazis. Obendrein mussten sie auf die stärkste Provokation verzichten: Als linke Gruppen begannen, in Kreuzberg Barrikaden zu bauen, beschränkte sich die NPD in Absprache mit der Polizei auf eine Route durch Mitte. Doch dort kamen sich die Kontrahenten auf der Leipziger Straße gefährlich nahe.

Bereits um 12 Uhr hatten sich rund um den Moritzplatz etwa 200 Gegendemonstranten Platz versammelt: PDS-Anhänger mit Fahnen, Türken und Kurden aus der politisch linken Szene, aber auch empörte Anwohner aus der Umgebung. Als Autonome begannen, Barrikaden aus Mülltonnen und Containern zu errichten, wurde der Platz von Beamten umstellt. Gegen 14 Uhr ließ die Polizei die Demonstranten laufen, die sich sofort in Richtung Leipziger Straße aufmachten, wo die Neonazis zu dieser Zeit vorbeiströmten.

Mit einiger Mühe gelang es der Polizei, dort Schlägereien zu verhindern. Aber Demonstranten jeder Couleur liefen beinahe Backe an Backe nebeneinander her. Einige Linke warfen Flaschen, Eier und Steine, nahe der Kreuzung Friedrichstraße spuckten sich Linke und Rechte an. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und drängte die Linken mehrmals gewaltsam ab.

Am Bauplatz des Holocaust-Mahnmals hielt die NPD eine Zwischenkundgebung ab, bei der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse massiv beschimpft wurde. Anschließend zogen die Rechten unter dem Schutz der Polizei zum westlichen Rund vor dem Brandenburger Tor. Mit Wasserwerfern und Reiterstaffel vertrieb die Polizei linke Gegendemonstranten. Derweil dröhnten vom Pariser Platz ohrenbetäubende Parolen der dort versammelten Gegendemonstranten der "Berliner Initiative: Europa ohne Rassismus". Die Polizei hatte das Tor mit Absperrgittern zum Pariser Platz abgeriegelt und verhinderte Durchbruchsversuche.

Auch wenn Mitinitiatorin Lea Rosh betonte, man wolle dem Nazi-Aufmarsch ein Fest der Toleranz entgegensetzen, so war die Stimmung auf der anderen Seite des Brandeburger Tores alles andere als festlich. Je länger die Kundgebung dauerte und je näher der NPD-Zug seinem Ziel kam, desto aufgeheizter wurde die Atmosphäre. Die Trommeleinlagen von Berliner Neuntklässlern konnten ebenso wenig zur Entspannung beitragen wie die mitreißende Musik jüdischer Liedermacher. Zu laut war das Brüllen der Neonazis. "Gespenstisch": diese Beschreibung war von Teilnehmern immer wieder zu hören. Zu Beginn, als die NPD-Sympathisanten noch durch Mitte zogen, wurde den Rednern mehr Gehör geschenkt. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gab seiner Empörung darüber Ausdruck, dass die Rechtsradikalen mit dem Motto "Wir sind ein Volk" den Ruf der 1989er-Revolution für sich in Anspruch genommen hatten. "Das war ein Freiheitsruf der Gewaltlosigkeit und der Toleranz. Das ist nicht nur für Ostdeutsche schwer begreifbar."

Gegen 17 Uhr eskortierte die Polizei die Neonazis unter dem lautstarken Protest der Linken in Richtung Lehrter Bahnhof. In der Nähe des sowjetischen Ehrenmals wurden rund 100 Linke von der Polizei eingekesselt und an der Verfolgung gehindert.

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