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Bausenator Geisels Aussage zum Bau am Leipziger Platz bringt ihn weiter in Erklärungsnot.

© dpa

Neubau am Leipziger Platz in Berlin: Fachleute trauten sich Ausnahmegenehmigung nicht zu

Berlins Bausenator Geisel verteidigt die Befreiung vom Wohnungsbau am Leipziger Platz. Die Grünen sprechen im Bauausschuss von "Rechtsbeugung".

Eine „rechtliche Grenzsituation“ haben die Experten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Montag die Befreiung vom Bebauungsplan am Leipziger Platz genannt. Im Alleingang hätten sie diese nicht erteilen können. Die umstrittene Entscheidung zugunsten eines Investors mit Sitz im Steuerparadies Luxemburg übernahm Bausenator Andreas Geisel (SPD).

Geisel kam im Bauausschuss des Abgeordnetenhauses dennoch zum Ergebnis, er habe „nicht gegen den fachlichen Rat der Experten gehandelt“.

Kurz zuvor hatte der zuständige Chefplaner zusammengefasst: „Uns war klar, dass wir keine Grundlage haben, um auf Arbeitsebene eine Befreiung auszusprechen.“ Und das war das Ergebnis einer nach dieser Darstellung etwa zweijährigen Befassung mit dem Begehren des Investors.

Geisels Motive geben allen Rätsel auf

Warum die Verwaltung überhaupt diese intensiven Bemühungen um eine nur für den Investor so lukrative Befreiung unternahm, blieb bei der Aussprache im Dunkeln. Umso deutlicher dagegen wurde, dass das Baugesetzbuch keinen Spielraum in der Frage lässt: Die Schaffung von Wohnraum am Leipziger Platz ist der Grundzug des dort geltenden Bebauungsplans. Wer daran tasten will, hätte ihn ganz aufheben müssen.

So gesehen, fühlten sich die Grünen nach dieser Sitzung bestärkt in der Auffassung, Geisel schaffe „Senatorenbaurecht“ da, wo es ihm eben recht sei. Geisel selbst bemühte das Image des Machers, er habe „Entscheidungen getroffen“ und „jahrelangen Stillstand beseitigt“, einen „städtebaulichen Missstand beseitigt“ und im Übrigen „begründbar“ sowie „rechtlich korrekt“ gehandelt.

Von „Rechtsbeugung“ spricht dagegen die Fraktionschefin der Grünen Antje Kapek und griff Geisel scharf an: „Ihnen fehlt das Unrechtsbewusstsein, mindestens aber das politische Gespür“. Und dabei habe sie „den Namen Peter Strieder noch gar nicht in den Mund genommen“.

Dass der frühere Bausenator und Geisel-Genosse Peter Strieder im Sold des so liebevoll von der Hauptverwaltung betreuten Investors steht – und sich im Bezirk vergeblich für die im Senat später erteilte Befreiung einsetzte –, spielte bei dieser Aussprache nicht mal eine Nebenrolle. Obwohl Geisels Motive sogar Nahestehenden Rätsel aufgeben.

Sogar der Koalitionspartner CDU, der jede Polemik vermied, ist in der Sache glasklar: Sachverhalte wie diese dürften sich „nicht wiederholen“, sonst könne man gleich das ganze mühsame „Aufstellen von Bebauungsplänen infrage stellen“, so Matthias Brauner.

Bezirk soll das letzte Wort haben

Die Linke wiederum gibt sich vor den Wahlen konstruktiv, schlägt eine Reform der Zuständigkeiten vor: Der Bezirk müsse in Streitigkeiten um Bebauungspläne das letzte Wort haben – dessen Beschlüsse dürften nur vor Gerichten anfechtbar sein. Ob die Beschneidung der Senatskompetenzen mehrheitsfähig ist?

Auf den Parlamentsfluren zeigten sich die Verwaltungsleute nach der Diskussion solidarisch mit ihrem Dienstherren, nannten das Grundstück wegen des vielen Verkehrs problematisch. Und sie traten dem früheren Senatsbaudirektor Hans Stimmann nach, der bei Aufstellung des Bebauungsplans mit aller Macht den Zwang zum Bau von Wohnungen durchgepeitscht habe, damit überhaupt welche entstehen.

Heute hätte man das wohl anders gemacht. Denn ist nicht die Wohnungsnot jetzt noch dramatischer? Der Schwanz wedelt jedenfalls nicht mit dem Hund, spottete einer. Die Grünen wollen sich nicht damit zufrieden geben, dass Geisel ihre Frage nicht beantwortete, „welches Preisticket an dieser Ausnahme hängt“, wie Kapek sagte.

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