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Berlin: Neue Heimat

Zwei aus einem Bezirk: Ein Manager und eine Schauspielerin lieben Berlins wasserreichsten Landstrich. Hardy Rudolf Schmitz ist er Startbasis zu neuen Welten, für Franziska Troegner Ruhepol und Rückzugsort

Hardy Rudolf Schmitz verbringt jeden Tag in Treptow, aber ein bisschen fühlt er sich immer noch wie im Raumschiff. Das Fluggerät ist die „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“, kurz „Wista Adlershof“. Vor Jahrzehnten ist es als Akademie der Wissenschaften der DDR am selben Ort gestartet, aber bei seiner Landung 1991 kam es scheinbar aus dem Nichts. 15 Jahre später ist Adlershof einer der wenigen Orte im Osten Deutschlands, an denen mehr Menschen arbeiten als vor der Wende. Schmitz, Wista-Kapitän seit 2002, schaut zufrieden aus dem Fenster auf neu gebaute Firmengebäude und Uni-Institute. Mehr als 400 Unternehmen, jährlich 500 neue Arbeitsplätze – das hätte er diesem Flecken kaum zugetraut. Hier erodierten das DDR-Fernsehen, die erwähnte Akademie; nebenan hatte das Stasi-Wachregiment die Gebäude geräumt fürs notwendige Arbeitsamt. Dahinter die Reste der Mauer, die den Blick Richtung City versperrten.

Und jetzt? Die Autobahn mit eigener Anschlussstelle ist schon fertig, und der künftige Flughafen wird die Wahrnehmung der Gegend völlig verändern: Treptow wird nicht mehr der Rand der Hauptstadt, sondern das Tor zu ihr sein.

Ein Tor, durch das man gern hereinkommt, findet der 55-Jährige, und seine Augen leuchten: „Diese fantastischen Wasserlandschaften, mindestens so schön wie Blankenese!“ Auch die von Dahme und Spree umflossene Altstadt entfalte immer mehr Charme. Dann hält er inne, weil er gerade von Köpenick geschwärmt hat und sich erst einmal den durch Spree und Bahntrassen abgetrennten Bezirksteil Treptow vors geistige Auge holen muss. Die gute Sozialstruktur sei augenfällig, findet Schmitz, es gebe eine solide Mittelschicht. Wobei die Leute manchmal zu kleinbürgerlichem Misstrauen neigten statt zu vorurteilsloser Offenheit: „Treptow-Köpenick könnte vom Gefühl her ein bisschen mehr wie Mitte sein“, findet er. Dass die meisten Wissenschaftler jeden Morgen von außerhalb ins Wista-Raumschiff schweben, solle der Bezirk nicht persönlich nehmen: „Man kiezt eben in Berlin.“ Außerdem gingen die Grundstücksparzellen am nahen Landschaftspark Johannisthal „weg wie warme Semmeln“.

Als Schmitz vor kurzem mit seinem Boot auf der Spree stadteinwärts schipperte, da fand er in Höhe Oberschöneweide: „Hier müsste man eine Marina bauen!“ Er war ergriffen von der Breite des Flusses und von der Schönheit der sanierten Fabrikhallen von AEG & Co. Wobei ihm zugute kam, dass er von Berufs wegen zu positivem Denken neigt. Doch die großen Namen sind nur mehr leere Hüllen. Als Letzter hat sich im vergangenen Jahr Samsung aus dem Staub gemacht.

Dieser „Kuss des Glücks“, wie Schmitz die Ansiedlung rückblickend nennt – vorbei. Die Industrie in Oberschöneweide sei nicht nur zusammengebrochen, ja, sie sei „implodiert“. Aber das Viertel werde sich berappeln, wenn die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft endlich die leeren Hallen bevölkere: FHTW und Wista seien „Talentschuppen, die ihresgleichen suchen.

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