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Berlin: Neue Tafelfreuden

Der Schokoladen-Spezialist Holger In’t Veld ist mit frischen Ideen in die Szene zurückgekehrt. „Bonvodou“ heißt seine Marke.

Wie schmeckt eine einzelne Kakaobohne? Konzentriert, pur, aromatisch – aber eben nicht süß, sondern herb. Eine Eigenschaft, die bereits die Azteken schätzten. Sie tauften ihren Kakao „Xocóatl“, Bitterwasser. Der Berliner Schokoladenfachmann Holger In’t Veld folgt ihren Vorlieben. Für seine Marke „Bonvodou“ lässt er die Kakaobohnen weitgehend in ihrem Urzustand, bevor er sie, grob zerstoßen, mit selbst kreierten Kompositionen aus hochwertigen Schokoladenmassen vermischt, aus denen die Tafeln entstehen.

Das schmeckt zunächst beinahe so, als sei da etwas in der Tafel gelandet, was nicht hineingehört. Doch es kommt dem Geist der Kakaobohne sehr viel näher. Der Aufwand ist hoch, denn die Bohnen für die Schokoladen werden von Hand geschält, Stück für Stück, dann fünf Minuten lang bei 130 Grad geröstet. Zitrone, Mandeln, Haselnüsse, Ziegenmilch oder Salz runden die Komposition ab.

Für fortgeschrittene Kunden ist das alles nur Kompromiss. Sie kaufen die Bohnen im Glas, 100 Gramm pro Portion, „Trinitario aus Belize“ zum Beispiel. „Was sie damit anstellen, bleibt ihrer Fantasie überlassen“ sagt In’t Veld, „einige verfeinern Fleisch , Salate oder Saucen damit, andere machen eigenen Kakao“. Oder knabbern sie einfach pur – eine Neigung, die auch der Experte teilt. Das ist beinahe so, als gäbe ein Sternekoch zu, dass er am liebsten Stullen isst.

Für den ehemaligen Musikjournalisten ist dies ein Comeback. 2002 verblüffte er die Szene mit der Eröffnung eines Schokoladens am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg, rund 600 Sorten aus aller Welt, präsentiert auf nur 30 Quadratmetern Fläche. Nichts, was es im Supermarkt gab, aber vieles, was in Deutschland überhaupt nicht zu haben war. In’t Veld wurde für seine Idee gefeiert, „Schokoladen-Rebell“ oder „SchokoPionier“ genannt. „Alle wollten wissen, wie man einem Produkt wie Manufakturschokolade ein ganzes Geschäft widmen kann“, erinnert sich der gebürtige Hamburger.

Die Niederlagen kamen viel später. Acht Jahre nach der Eröffnung des ersten Schokoladens musste der einst so erfolgreiche Marken- und Produktentwickler Insolvenz anmelden, schloss sein Café und weitere Dependancen in Mitte und Schöneberg. Noch Monate später standen etliche Stammkunden ratlos vor verschlossenen Türen. Der schiffbrüchige Geschäftsmann, dessen erster Laden von einem Schiffslogo geziert war, erlebte noch eine weitere Pleite: Sein Buch „Schokoladen-Rebellen“, in dem er sein gesammeltes Wissen über sein Handwerk zu Papier gebracht hatte, wurde nicht zum rettenden Bestseller, denn der Frankfurter Eichborn-Verlag ging beinahe zeitgleich zum Erscheinungsdatum pleite. Mehr Pech kann man eigentlich kaum haben.

Rückblickend empfindet In’t Veld diesen schmerzhaften Schnitt in seinem Leben als durchaus heilsam. „Vielleicht waren wir einfach zu schnell zu groß geworden“, sagt er selbstkritisch, „zuletzt konnte ich mich kaum noch um das kümmern, was ich am meisten liebe: um die Herstellung einer Schokolade mit bestmöglichem Geschmack aus den bestmöglichen Zutaten“.

Mit „Bonvodou“, dessen Logo eine stilisierte Kakaoblüte darstellt, will In’t Veld nun einiges anders machen. Kleiner, feiner, mit unverfälschten Rohstoffen aus ökologischem und fairem Handel, hergestellt aus fünf Sorten aus Bali, Belize, Indien, Madagaskar und Peru. Gegenwärtig wird Bonvodou noch überwiegend im Internet vertrieben, außerdem in ausgewählten Cafés, Bio- und Feinkostläden in Berlin und Potsdam. Schokolade im Geschäft verkaufen andere (siehe Kasten).

Einen eigenen Laden hat In’t Veld noch nicht wieder. Größter Wunsch: eine eigene kleine Plantage mit Kakaobäumen. „Natürlich wäre es ein Traum, eine Schokolade zu kreieren, deren Entstehungskette von A–Z in der eigenen Hand liegt“, sagt er. Träumen wird man ja wohl dürfen. Auch wenn Träume manchmal wie Seifenblasen zerplatzen.

Alicia Rust

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