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Klares Ziel, trübe Aussichten. Ob der Großflughafen Willy Brandt zum neuen Termin am 17. März eröffnet wird, gilt bereits jetzt als umstritten. Foto: dpa

© dpa

Flughafen BER: Neuer Eröffnungstermin ist kaum zu halten

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat sich festgelegt. Der neue Hauptstadt-Flughafen in Schönefeld soll am 17. März 2013 eröffnen. Die Mängelliste ist aber so lang, dass der neue Termin kaum zu halten sein dürfte.

Für den Flughafen bricht wieder eine Woche der Wahrheit an. Nicht nur, dass am heutigen Sonntag erstmals Anwohner von Schönefeld und Tegel gemeinsam gegen die Flughafengesellschaft demonstrieren, diese muss auch den Firmen Bosch und Siemens die überarbeiteten Pläne zur Entrauchungsanlage des neuen Terminals vorlegen. Nur dann ist es möglich, wie vorgesehen die Arbeiten bis zum Ende des Jahres abzuschließen.

In der Vergangenheit hatten die Firmen geklagt, dass sie Pläne zu spät, unvollständig oder mit vielen Änderungen erhalten hätten. Der Bau geriet ins Stocken, die für den 3. Juni geplante Eröffnung musste verschoben werden. Doch auch der neue Termin 17. März 2013 gilt als unsicher. Fachleute zweifeln, dass die Zeit reicht, die Probleme zu lösen. Nicht nur die Entrauchungsanlage, die nach Angaben der Planer weltweit zu den kompliziertesten gehört, funktioniert nicht. Im Probebetrieb hat es Ausfälle an Check-in-Schaltern gegeben; auch Gepäck landete nicht immer dort, wo es ankommen sollte.

Der vom Aufsichtsrat unter Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) beschlossene Eröffnungstermin 17. März ist so „ambitioniert“, wie es zuvor der 3. Juni war. Wieder gibt es nach Angaben der Planer keine zeitlichen Puffer. Den Terminplan hat man an den Bauarbeiten ausgerichtet und dann die Zeit für die Abnahme durch den Tüv, die Genehmigung durch das Bauordnungsamt des Landkreises Dahme-Spreewald und den erforderlichen Probebetrieb hinzugeschlagen. Da der Flughafen zudem nicht in den Osterferien in Betrieb gehen sollte, fiel die Wahl auf den 17. März.

Reaktionen auf die Verschiebung der Flughafen-Eröffnung in Bildern

Nach Abschluss der Bauarbeiten, zu denen auch die Tüv-Abnahme der einzelnen Komponenten gehört, prüft der Tüv dann im Auftrag der Flughafengesellschaft das Zusammenspiel aller Bereiche, Wirkprinzipprüfung genannt. Kontrolliert wird dabei zum Beispiel, ob beim Auslösen eines Brandmelders sich die vorgesehenen Klappen in den Abzugskanälen oder die Türen wie erforderlich öffnen oder schließen. Rund 500 verschiedene Szenarien soll es geben. Für diese Prüfung hat der Tüv nach Angaben von Sprecher Hartmut Müller-Gerbes rund vier Wochen angesetzt. Stellt sich heraus, dass nachgearbeitet werden muss, kann sich die Abnahme aber verzögern. Mitte Januar soll nach den Plänen der Flughafengesellschaft die Abnahme durchs Bauordnungsamt beginnen, was auch mehrere Wochen dauern kann und die Tüv-Abnehme voraussetzt. Anschließend findet ein weiterer Probebetrieb mit Komparsen statt – zum ersten Mal baustellenfrei. Nach dem Zeitplan bleiben dafür rund vier Wochen. Ursprünglich wollten die Planer mindestens ein halbes Jahr üben; der Probebetrieb hatte im vergangenen November noch auf der Baustelle begonnen, weil sich die Arbeiten verzögert hatten. In Frankfurt/Main, wo der Flughafen im Herbst ein weiteres Terminal in Betrieb nehmen will, sind Probedurchläufe vom 9. August bis zum 27. September vorgesehen. In Berlin halten die Planer die jetzt noch zur Verfügung stehenden vier Wochen für ausreichend. Man habe schon seit November Probebetrieb-Erfahrung.

Die Zusatzkosten sind noch unklar, dürften aber immens sein

Schon einmal war ein zu enger Zeitrahmen gesetzt worden. 2010 hatte man erkannt, dass man eine Verspätung um rund ein Jahr eingefahren hatte. Mit Zustimmung des Aufsichtsrates hatte man dann aber lediglich sieben Monate dazugegeben und wollte den Flughafen statt am 30. Oktober 2011 dann bereits am 3. Juni 2012 eröffnen. Die Deutsche Bahn jedenfalls ist, wie berichtet, skeptisch. Sie informiert ihre Fahrgäste, dass die Eröffnung des Flughafens „auf unbestimmte Zeit“ verschoben sei.

Doch nicht nur der Zeitplan ist Makulatur. Auch bei den Finanzen haben sich die Planer verrechnet. Statt 2,5 Milliarden Euro soll der Ausbau nun mindestens drei Milliarden Euro kosten; allein die Kosten fürs Terminal haben sich auf 1,2 Milliarden Euro fast verdoppelt. Bis zuletzt hatte die Geschäftsführung immer wieder versichert: „Wir sind im Zeit- und Kostenplan.“ Selbst als der Aufsichtsrat längst Mehrausgaben zugestimmt hatte. Auch jetzt heißt es offiziell, das vor Jahren festgesetzte Gesamtbudget sei noch nicht überschritten. Es setzt sich aus bewilligten Krediten in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, einem Zuschuss der Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund in Höhe von 430 Millionen Euro sowie einem Eigenanteil des Flughafens in Höhe von 440 Millionen Euro zusammen. Inzwischen hat der Flughafen sogar 531 Millionen Euro in die Kasse geschaufelt. Allerdings wird er in den nächsten Jahren wegen der aufzubringenden Zinsen nun Verluste ausweisen.

Das Flughafen-Debakel in Bildern

Noch nicht beziffert sind die Kosten, die durch die verschobene Eröffnung entstehen. Fluggesellschaften, Händler, die Bahn, die BVG prüfen, ob sie Schadenersatzansprüche geltend machen können. Dem Flughafen entgehen monatlich Einnahmen von etwa 15 Millionen Euro. Eine Gesamtkostenschätzung soll der Flughafen auf der nächsten Sitzung des Aufsichtsrates am 22. Juni vorlegen. Weitere 250 Millionen Euro könnten hinzukommen, wenn sich die Flughafengesellschaft mit ihrer Interpretation beim Schallschutz nicht durchsetzt. Das Verfahren wird neu aufgerollt, weil sie eine „Klarstellung“ beantragt hat, mit der der Schallschutz am Tag aufgeweicht werden würde. Weil die Grenzwerte nachts bis zu sechs Mal überschritten werden dürfen, will der Flughafen diese Regelung auch tagsüber haben. Wahrscheinlich führt auch dies zu Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dort stehen am 3. und 4. Juli Verfahren an, um den Planfeststellungsbeschluss generell zurückzunehmen, da er auf Flugrouten beruhe, die nun nicht geflogen werden sollen. Klagen gibt es auch wegen des Überfliegens des Müggelsees. Allerdings müssen die Routen erst kurz vor Inbetriebnahme eines Flughafens festgelegt werden.

In der Praxis existiert der neue Flughafen bereits. Einige Flughäfen wie Orlando in Florida drucken die Kennung BER auf die Gepäckabschnitte. Koffer und Taschen kämen aber am richtigen Flughafen an, versichert eine Sprecherin des Bodendienstleisters Globe Ground in Berlin. Das elektronische System buche automatisch um oder die Codes würden manuell nachbearbeitet. Die Zahl der verloren gemeldeten Koffer habe sich in Schönefeld und Tegel auch mit dem Weiterbetrieb nicht geändert. Endlich eine gute Nachricht.

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