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Berlin: Neuer Glanz in alten Mauern

Die Italienische Botschaft im Diplomatenviertel in Tiergarten zeigt ein vorbildliches Restaurierungskonzept und wird am 26. Juni offiziell eröffnet

ITALIEN FEIERT IN BERLIN: KULTUR, KULINARISCHES UND EINE NEUE BOTSCHAFT

Eigentlich hatte der Tiergarten schon gewonnen. In den achtziger Jahren schien es nur noch eine Frage von ein paar Jahren zu sein, bis die Reste des Diplomatenviertels aus dem „Dritten Reich“ endgültig verfallen und vom Ruinenbaumeister Grün überwuchert werden würden. Wie in einer Zwischenwelt standen sie da, die Botschaftsruinen, späte Zeugen des Zweiten Weltkriegs, mit bröckelndem Putz und zugemauerten Fenstern. Nach 1945 nur provisorisch instand gesetzt, dienten einige Botschaftsteile als Konsulate.

Ein Schicksal, das auch die Italienische Botschaft zwischen Tiergarten- und Hiroshimastraße teilte: Der größte Teil des Gebäudes stand leer und war dem Verfall preisgegeben. Dabei sollte der ab 1938 von Friedrich Hetzelt entworfene Bau allein schon durch seine Größe und die prominente Lage die Bedeutung widerspiegeln, die der „Achsenmacht“ Italien in Nazi–Deutschland beigemessen wurde. Waren die Botschaften im Tiergarten doch Teil jenes größenwahnsinnigen Projektes, mit dem Adolf Hitler und sein machtbesessener architektonischer Stichwortgeber Albert Speer Berlin zur Welthauptstadt Germania umgestalten wollten.

Für die Italiener war Hetzelt kein Unbekannter. Bereits Mitte der dreißiger Jahre hatte er die alte Italienische Botschaft am Matthäikirchplatz durch Umbauten repräsentativ aufgewertet. Schon diese alte Botschaft zeichnete sich durch ihre kostbaren Einbauten aus, darunter eine Renaissancedecke, oberitalienische Portalgewände sowie Brunnen, die nun in den Neubau von Hetzelt transloziert wurden. Noch heute bilden sie – inzwischen sorgsam restauriert – das Leitmotiv in dem mächtigen Botschaftspalast, der neben den Repräsentationsräumen die Botschaftskanzlei und die Residenz des Botschafters beherbergt.

Ungewöhnlich in der Farbigkeit und einschüchternd in der mächtigen Formensprache, die Italienische Botschaft an der Tiergarten war und ist ein beeindruckendes Bauwerk: Auf das mit hellem Werkstein verkleidete Sockelgeschoss folgen zwei weitere Etagen, deren altrosafarbener Putz den Charme eines sommerlichen Sonnenuntergangs am Gardasee verströmt. Doch ansonsten erweist sich der dreiflügelige Bau, der sich um einen offenen Hof gruppiert, als wenig lieblich: die vier Gebäudeecken sind wie bei einem Castel leicht vorgezogen und hinterlassen einen massiven, fast wehrhaften Charakter.

Die wichtigste Schauseite der Botschaft ist zum Tiergarten gerichtet. Hier entfaltet der Bau einen geradezu imperialen Machtanspruch: Den Auftakt bildet der Portikus mit gekoppelten toskanischen Säulen, der Haupteingang samt Vorfahrt markiert. Darüber ragen sechs kolossale Säulen empor, die ein schweres, weit auskragendes Kranzgesims tragen. Hinter den Säulen verbirgt sich der doppelgeschossige, säulengeschmückte Festsaal der Botschaft. Noch mehr Säulen zeigt die Gartenansicht, wo eine Kolonnade den Botschaftspalast zum Garten hin abschließt. Keine Schmusearchitektur also und ein bisschen verwundert es schon, dass das Haus trotz seiner Beschädigungen überhaupt so gut über die Zeit gekommen ist. Erste Überlegungen, zu einem Wiederaufbau datieren aus den achtziger Jahren. Doch während die benachbarte Japanische Botschaft, die ebenfalls im „Dritten Reich“ entstanden war, als „Japanisch-Deutsches-Zentrum Berlin“ nach altem Vorbild komplett neu errichtet wurde, scheiterten die zaghaften Wiederbelebungsversuche bei der Italienischen Botschaft. Weder eröffnet hier eine Dependance des Italienischen Philosophischen Instituts von Neapel, noch zog die Akademie der Wissenschaften ein, wie es der Berliner Senat vorschlug. Und das, obwohl bereits ein Umbauentwurf vorlag. Der freilich hätte gravierende Eingriffe in die historische Bausubstanz mit sich gebracht. So ist es gut, dass erst die Wende zu einer städtebaulichen Neubewertung und Wiederbelebung des Diplomatenviertels führte. Auch im Fall der Italienischen Botschaft, die wie die Deutsche Regierung vom Rhein an die Spree zog.

Der kürzlich verstorbene italienische Architekt Vittorio de Feo erhielt Mitte der neunziger Jahre den Auftrag, das Gebäude wieder als Botschaft nutzbar zu machen. Als Berliner Kontaktarchitekt vor Ort arbeitete er mit Stephan Dietrich zusammen. Ihr Konzept für die Herrichtung des Baudenkmals ist so einfach wie einleuchtend – und doch so schwierig umzusetzen. Möglichst behutsam haben sie die historische Architektur für die Nutzung als Botschaft wieder funktionsfähig gemacht. Die jahrzehntelang leerstehenden Galerien, Säle und Foyers einschließlich der kostbaren Spolien sind nun repariert und den technischen Anforderungen unserer Zeit angepasst worden. Doch die schweren Bombenschäden, die die Botschaft bereits kurz nach ihrer Fertigstellung 1943 erlitten hatte, wurden vor allem an der Fassade bewusst sichtbar belassen. Anstelle einer Hochglanzrestaurierung mit Rekonstruktionscharakter haben de Feo und Dietrich sich bemüht, den Bestand – wo immer möglich – zu konservieren. Das bedeutete aber auch, dass sich die Architekten gegenüber dem alten Bestand bewusst zurücknehmen mussten. Einziger „Neubau“ de Feos ist daher eine Treppenanlage, die den Hof jetzt mit dem Foyer vor dem großen Festsaal verbindet. Doch auch ihr liegt ein Entwurf Hetzelts zugrunde, der aber damals nicht ausgeführt worden war.

Komplett erneuert wurde der großflächig abblätternde Verputz des Gebäudes, der heute wieder den altrosa Farbton zeigt. Anders wurde bei den Natursteinbereichen der Fassade vorgegangen: Unübersehbare Bruchstellen in den Gesimsen und die beschädigten Kolonnaden im Hof machen selbst für den unbedarften Betrachter deutlich, dass es bei der Restaurierung der Italienischen Botschaft nicht darum ging, den schönen Schein zu wahren. Stattdessen zeigt die Botschaft ihre Wunden, doch ohne sie dabei als Teil einer billigen Inszenierung bloßzustellen.

Zugleich erhält der übertrieben monumentale Gestus der Botschaft ein unmittelbares Korrektiv. Die Herrichtung des Baus durch de Feo und Dietrich zeigt einen beispielhaften Umgang mit einem unbequemen Baudenkmal. Schließlich wurden selbst die Rutenbündel, jene Symbole der faschistischen Partei Italiens, die einst das Eingangsfoyer schmückten, nicht einfach abgeschlagen, sondern an anderer Stelle im Gebäude gezeigt und erklärt.

Statt die Spuren ihrer Geschichte zu verleugnen, fordert die Italienische Botschaft ihre Besucher dazu auf, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Eine mutige Entscheidung des Bauherren und ein hoher Anspruch an eine Restaurierung, der Vorbildcharakter zukommt.

Jürgen Tietz

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