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Berlin: „Nicht um jeden Preis regieren“

Harald Wolf von der Linkspartei/PDS will es der SPD nicht zu einfach machen Die Ursachen der Wahlverluste sieht der Spitzenkandidat auch bei sich selbst

Wieso haben Sie so viele Wähler verloren? Wie weit ist das eine Quittung für Ihre Politik in den vergangenen viereinhalb Jahren?

Da haben mehrere Faktoren hineingespielt. Die große Koalition im Bund ist einer davon. Die wegen der finanziellen Probleme sehr engen Rahmenbedingungen für politisches Handeln in Berlin sind ein anderer. Die Wähler trauen den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien offenbar immer weniger zu, die Probleme zu lösen. Also wandern sie ins Lager der Nichtwähler oder zu den kleinen Parteien ab. Dieses Problem haben allerdings alle Parteien im Parlament. Die Verluste haben mit Sicherheit auch mit unserer Politik zu tun, die wir in der Regierung gemacht haben. Aber man darf nicht vergessen, dass dieses Land immer noch sehr hoch verschuldet ist und dass man unter sehr beschränkten Ausgangsbedingungen Politik macht. Wir haben uns nun ganz konkret die Frage zu stellen: Welche Alternative hätten wir in welchem Fall gehabt? Das müssen wir jetzt diskutieren.

Ihre Wähler galten bislang als sehr treu. Wieso sind sie Ihnen diesmal gerade im Osten der Stadt in Scharen weggelaufen?

Bei uns spielt sicher eine Rolle, dass wir 2001 in einer schwierigen Situation die Regierung übernommen haben. Sie kennen die Rahmenbedingungen. Wir mussten schwierige Aufräumarbeiten erledigen. Die waren mit Entscheidungen verbunden, die sich nicht immer mit den Erwartungen unserer Wähler gedeckt haben. Zweitens hat die große Koalition im Bund dazu geführt, dass nicht erkennbar ist, wie politische Veränderungen stattfinden. Das führt zu einer allgemeinen resignativen Haltung. Dazu kommt, dass viele Wähler nicht zwischen Bundes- und Landespolitik unterscheiden. Die Leute erleben eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation wegen Hartz IV, und wir werden dafür in Mithaftung genommen.

Ihre Linkspartei hat mehr verloren als jede andere. Wie gehen Sie nun mit dem Ergebnis um?

Klaus Wowereit hat angekündigt, er wird Sondierungsgespräche sowohl mit uns als auch mit den Grünen führen. Für uns ist der Gradmesser für eine mögliche Fortsetzung von Rot-Rot, ob wir unsere drei Schwerpunktthemen aus dem Wahlkampf umsetzen können. Also öffentlich geförderte Beschäftigung, Bildungsreform hin zur Gemeinschaftsschule und drittens eine Politik, die Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht privatisiert. Dafür haben wir mehr als 180 000 Stimmen bekommen.

Sie müssen mit den Grünen um die Gunst der Sozialdemokraten buhlen. Schwächt das Ihre Position in einer künftigen Landesregierung?

Nein. Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Wir haben gezeigt, dass wir regieren können. Wir haben aber auch über elf Jahre gezeigt, dass wir opponieren können. Regieren ist für uns kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Wir werden uns nicht in Verhandlungen immer weiter klein kochen lassen mit der Drohung: Da ist noch ein anderer Partner.

Sollten Sie nach den Verhandlungen Ihre Koalition mit der SPD fortsetzen, hätten Sie künftig im Abgeordnetenhaus eine sehr dünne Mehrheit von wenigen Sitzen. Wäre das ein Problem für konsequente Politik?

Wir haben nach der Wahl größere Probleme als eine knappe Mehrheit. Knappe Mehrheiten nehmen die einzelnen Abgeordneten auch mehr in die Verantwortung. Aber das Problem sind jetzt noch nicht die Mehrheiten im Abgeordnetenhaus, sondern die Inhalte. Wenn die nicht passen, helfen auch große Mehrheiten nicht.

Wie kompromissbereit sind Sie bezüglich Ihrer Prioritäten bei den zu erwartenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD?

Wir werden das vertreten, was wir in unserem Programm formuliert haben. Also zum Beispiel beim Thema Gemeinschaftsschule, dass wir mit Pilotprojekten in dieser Legislaturperiode beginnen wollen. Wir wissen, dass man die nicht über Nacht flächendeckend einführen kann. Jetzt ist es an der SPD, ob sie bereit ist, solche Schritte mitzugehen. Wenn nicht, dann gehen wir eben in die Opposition.

Das Gespräch führte Lars von Törne

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