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Berlin: Nicht zu finden: Qualifizierte Azubis

Trotz 2000 Bewerbern sind bei der Berliner Volksbank immer noch 20 Stellen unbesetzt

So etwas hätte sie nie für möglich gehalten. Stefanie Siebert, Abteilungsleiterin für Ausbildung bei der Berliner Volksbank, schreibt derzeit fleißig Briefe an die Berliner Sportvereine. Darin bietet sie Ausbildungsplätze in ihrem Unternehmen an. „Leistungssportler sind aktiv, sie wissen, was sie wollen und können ihr Leben organisieren“, sagt Siebert, „solche Leute sind für uns möglicherweise geeignet.“ Dass sie junge Leute einmal bitten müsste, sich bei der Volksbank zu bewerben, daran hätte Siebert vor ein paar Jahren im Traum nicht gedacht.

Die momentane Situation scheint tatsächlich paradox: Laut Statistischem Landesamt gibt es in Berlin immer weniger Ausbildungsplätze. Im letzten Jahr sei die Zahl um 2,5 Prozent gesunken. Die Zahl der Bewerber sei aber weiter hoch. Bei den Berliner Arbeitsämtern stehen deshalb momentan 8414 Bewerber 5181 freien Lehrstellen gegenüber. Trotzdem: Gerade Unternehmen mit beliebten Lehrstellen können diese nicht besetzen. Für Stefanie Siebert sind die Gründe klar: es gibt kaum noch geeignete Bewerber. „Die sehr guten Schüler wollen heute studieren“, sagt sie, „von den anderen kommt heute der größte Teil nur noch aus der mittleren Schicht.“ Und diese Jugendlichen beherrschten häufig weder die Grundrechenarten, noch hätten sie eine akzeptable Allgemeinbildung. Oft fehle auch das Bewusstsein dafür, sich korrekt zu kleiden, viele Bewerber kämen in Turnschuhen. Von 2000 Bewerbern für 60 Ausbildungsplätze zu Bankkaufmann oder Bankkauffrau seien bislang nur 40 geeignet gewesen.

Das Geldinstitut ist mit seinem Problem nicht alleine. „Befragungen haben gezeigt, dass jede zehnte Ausbildungsstelle in unseren Berliner Unternehmen nicht besetzt wird, weil die Bewerber ungeeignet sind“, sagt Stefan Siebner von der Industrie- und Handelskammer. Das seien bis zu 600 Lehrstellen pro Jahr, die einfach wegfallen würden. Gleichzeitig stecken die Berliner Arbeitsämter jedes Jahr 3000 junge Menschen in teure Hilfsprogramme, weil sie ihnen keine Lehrstellen vermitteln können. Die IHK hat zwei Hauptursachen für die wachsende Zahl ungeeigneter Bewerber ausgemacht. Defizite bei der Erziehung – den Kindern würden deshalb die sozialen Kompetenzen wie Pünktlichkeit und Sauberkeit fehlen. Außerdem bringe die Schule den Kindern nicht mehr korrektes Lesen und Schreiben bei.

Der Kritik stimmt man selbst beim Bildungssenator zu. „Die Pisa-Studie hat uns eindeutig gezeigt, dass wir besser werden müssen“, sagt die Sprecherin Rita Hermanns. Mit dem neuen Schulgesetz und einer engeren Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in Form von Praktika und Sponsoring sei man jetzt aber auf dem richtigen Weg.

Stefanie Siebert hofft unterdessen, dass sich doch noch einige Abiturienten für eine Lehre anstelle des Studiums entscheiden. Die Chance, dass sie dann zu ihr kommen, ist groß – denn die Banklehre ist unter Gymnasiasten die beliebteste Ausbildung.

Informationen über die Ausbildungsplätze bei der Volksbank unter 030-30633885 oder unter www.berliner-volksbank.de

Juris Lempfert

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