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Im Herbst 2017 soll der BER jetzt eröffnet werden.

© dpa

Nichteröffnung des BER: Die Märchen vom Hauptstadtflughafen

Tausendundeine Nacht: Statt uns von Märchen berauschen zu lassen, sollten wir uns fragen: Ist uns das Projekt noch mehr Geld wert? Martin Delius, Vorsitzender der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, schreibt über den BER.

Seit der zweiten und entscheidenden geplatzten Eröffnung des Flughafens BER sind tausendundeine Nacht vergangen. Die Baustelle am Rande Berlins ist zur katastrophalen Episodensammlung, zum geliebten Hassobjekt für Politik und Öffentlichkeit geworden. Die Märchen vom BER mögen nicht so lehrreich und unterhaltsam sein wie die Geschichten aus dem Morgenland. Dennoch fesseln uns die Skandale, Intrigen und geschürten Erwartungen aus dem nahen Schönefeld immer aufs Neue.

„Der Flughafen wird pünktlich fertig. Das haben wir so beschlossen“, sagte der damalige Regierende Bürgermeister Anfang 2012. Zu einem Zeitpunkt, als im Projekt BER längst klar gewesen sein musste, dass der Termin nicht zu halten war, erzählte uns Klaus Wowereit schon die erste Gutenachtgeschichte.

Es sollte nicht die letzte gewesen sein. Die Planer seien schuld, hieß es nach der geplatzten Eröffnung im Juni 2012. Sie wurden entlassen und verklagt. Dass das Geschehen innerhalb der Flughafengesellschaft viel komplizierter war und auch der Rauswurf der Planer und des technischen Geschäftsführers den BER dem Happy End nicht näher brachten, erfuhren wir erst später durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Dass die Geschichten, die erzählt wurden, weit von der Realität entfernt waren, verstand kaum ein Dreivierteljahr später auch der Regierende und bemühte sich, die Planer zurückzuholen.

Die nächste Geschichte war schnell gefunden: ein neuer Eröffnungstermin. Luxuriös geplant, sagte man. Nur ein paar Monate seien nötig, um den Brandschutz am Erfolgsflughafen sicherzustellen. Es werde mit Hochdruck gearbeitet, damit der Flughafen im Oktober 2013 startklar ist. Das Märchen selbst wurde zur Erfolgsgeschichte, und wir haben gerne dafür bezahlt. Die Parlamente nickten weitere 1,2 Milliarden Euro ab und die EU-Kommission genehmigte – unter dem Eindruck der schönen Geschichte vom neuen Eröffnungstermin – die Finanzspritze. Genauso schnell, wie er gekommen war, verging der Traum: Anfang 2013 platzte der Eröffnungstermin erneut.

Die Geschichten gehen nicht zur Neige

Der Geschichtenerzähler wechselte. Und tischte das nächste Märchen auf. Der Flughafen Tegel sollte offen bleiben. Wieder haben wir uns einlullen lassen und debattiert, wie viel dran sein könnte an der Geschichte. Am BER passierte unterdessen nichts – bis der neue Sultan im Aufsichtsrat, Matthias Platzeck, den Spuk beendete und energisch seinen Flughafen forderte. Der sollte dann auch kommen. Allerdings scheibchenweise, als Teileröffnungserfolgsgeschichte. Wir hingen an den Lippen des Erzählers Hartmut Mehdorn. Endlich sollten Flugzeuge fliegen. Testflüge, zum Beweis, dass es ihn wirklich gibt, diesen Hauptstadt-Flughafen. Daraus wurde nichts, der tragische Held Hartmut scheiterte an den Wesiren und Bürokraten, die ihm die Genehmigung verweigerten.

Die Geschichten gehen nicht zur Neige. Ist der Flughafen zu klein oder zu groß? Kann man dem Terminband vertrauen oder nicht? Wird der Flughafen auch nach der Eröffnung ein Zuschussgeschäft bleiben oder kann er seine Schulden zurückzahlen? Wie viele korrupte Mitarbeiter sind noch im Projekt zu finden? Es sind spannende Geschichten. Geschichten mit Helden und Antihelden. Wir lesen sie gern. Wir schreiben sie gern. Sie halfen uns durch tausendundeine Nacht.

Doch der Flughafen ist immer noch nicht eröffnet. Der neue Regierende Bürgermeister Müller schafft es nicht, sich vom ehemaligen BER-Meister Wowereit abzugrenzen. Einigkeit unter den Gesellschaftern gibt es nicht einmal darüber, wie man einen neuen Geschichtenerzähler findet. Wir dürfen uns nicht weiter berauschen lassen. Der BER wird kein Erfolgsprojekt mehr. Wir müssen der Realität ins Auge blicken und harte Entscheidungen treffen. Eine Entscheidung in der Frage: Können und wollen wir uns das Projekt noch weiter leisten? Wenn ja, wie viel ist uns der BER noch wert? Was sind die Alternativen? Ein zweiter Flughafenneubau? Ein Transrapid nach Leipzig? Ist eine Privatisierung vielleicht eine vernünftige Lösung für die enorme finanzielle Dauerbelastung der öffentlichen Haushalte?

Wenn wir diese Fragen nicht beantworten und weiter nicht in der Lage sind grundsätzliche Entscheidungen zu treffen, werden wir auch die nächsten 1001 Nächte zum Zuhören verdammt sein. Die Berliner Politik täte gut daran, sich vom Projekt BER und seinen berauschenden Geschichten auszunüchtern.

Martin Delius

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