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Nikolaiviertel: Georg unter der Haube

Das Nikolaiviertel ist um eine Sehenswürdigkeit ärmer. Der Drachentöter ist fort und hat nun Quartier in Adlershof bezogen.

Georg ist weg. Einsam und ohne Nutzen ragt der seiner Umfassung entkleidete Sockel, auf dem er stand, aus der Erde. Das Nikolaiviertel ist um eine Sehenswürdigkeit ärmer. Georg fehlt. Diese große Leere am Ufer der Spree: kein Kampf Gut gegen Böse, kein Fotomodell, kein Drama am Wegesrand. Das Georgsbräu ist noch da, aber wo finden wir den heiligen Namenspatron dieser Restauration?

Weit weg, in Adlershof, da steht er, schwingt das Schwert gegen den wütenden Drachen, der seine Krallen in das sich aufbäumende Pferd schlägt. Der Heilige Georg, diese 1859 in Lauchhammer gegossene Bronzeplastik von August Kiss, wurde den Blicken der Öffentlichkeit entzogen. Das achteinhalb Tonnen schwere Monument ist in einer Verschönerungskur beim Restaurator Bernd Helmich. Georg ist „eingehaust“ unter Plastikplanen, umgeben von Leitern, Arbeitsbühnen und Stegen. Ein Teil der Arbeit am Bronzekörper ist getan. Wenn es wärmer wird, im Frühling, machen sie sich wieder über den Pferdebauch und die Zacken des Drachen her, um bronzeschädigende Ablagerungen zu bereinigen. Im nächsten Sommer soll er wieder strahlen, der Georg mit dem Haupt des siegreichen Siegfried in seiner dunkelgrünen Patina. Dann schwimmt er wieder an seinen alten Standort.

„Mit einer Transporthöhe von über fünf Metern passt er durch keine Brücke, also haben wir ihn auf dem Wasserweg bis nach Rudow gebracht und dann per Tieflader in unsere Werkstatt geschafft“, sagt Bernd Helmich. Der Chef der Werkstatt für Metallrestaurierung und Baudenkmalpflege beschreibt als schwerwiegendes Problem die Schäden am Unterbau des Sockels, wo die Granitblöcke auseinanderdrifteten, am Monument selbst werden kleinere Schäden wie Korrosionsherde beseitigt.

Helmich spricht begeistert von der „fantastischen bildkünstlerischen Leistung“ des August Kiss, der den Georg 1855, zehn Jahre vor seinem Tod, vollendet hatte. Der wohlhabende Künstler schenkte die Skulptur dem preußischen Staat, also dem König, der den Sieg des Guten mitten im Schlosshof immer vor Augen hatte. Vor der Sprengung der Reste vom Stadtschloss im Jahre 1950 wurde der Heilige Georg in den Volkspark Friedrichshain verfrachtet, von dort kam er 1987 als eine Art historische Attraktion aus uralten Zeiten ins neu gebaute Nikolaiviertel. Hier darf er im nächsten Jahr wieder vor aller Augen gegen den bösen Drachen kämpfen – und siegen. Ob er jemals wieder in einen Schlosshof reitet, wissen nicht einmal die Götter. Lothar Heinke

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