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Generationenwechsel. Dr. Norbert Haas (li.) und Nachfolger Michael Schütz.

© Elisabeth Binder

Medizinischer Vorreiter: Norbert Haas verabschiedet sich

Norbert Haas hat Berlins Chirurgie vorangebracht und viele Promis verarztet. Einige, etwa die Kanzlerin, kamen jetzt zur Abschiedsfeier.

„Heute darf keiner krank werden“, sagte Klaus Böger mit Blick auf die hohe Ärzte-Dichte in den Bolle-Festsälen am Freitagabend. „Sind ja fast alle hier.“ Wenn man von Kapazitäten spricht, war das wohl so, denn zelebriert wurde ein Meilenstein in der Berliner Medizingeschichte. Gastgeber Norbert Haas hatte das in seiner Einladung so formuliert: „Hand over – Trauma Goes to the Next Generation“. Mit fast 70 Jahren hat sich Haas, der vielfach geehrte Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité, entschlossen, die Leitung seinem ehemaligen Schüler Michael Schütz zu übergeben, der aus Australien zurückgekehrt ist nach Berlin. Bis zur Übergabe gegen Mitternacht gab es beim Dinner viel zu erfahren darüber, wie sich Berlin in den letzten 25 Jahren zu einem medizinischen Leuchtturm entwickelt hat.

Eigentlich hat alles an der Medizinischen Hochschule Hannover begonnen, wo der junge Roland Hetzer, später großer Herzchirurg, Talente um sich sammelte, darunter den später ebenfalls berühmten Transplanteur Peter Neuhaus und eben Norbert Haas. Sie alle haben sich in Berlin wiedergetroffen und vielleicht auch aufgrund der guten, früh geknüpften Drähte Großes bewirkt.

Ehemalige Patienten und Freunde

Es sind nicht nur Ärzte gekommen an diesem Abend, sondern auch frühere Patienten. Auf der Übersicht, wer an welchem Tisch sitzt, steht zwar „Sauer 2“ – was aber bedeutet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel wohl als Begleitung von Professor Joachim Sauer gekommen ist. Und viele Gäste wissen ohnehin, dass sie sich nach ihrem Skiunfall in die Hände des Gastgebers begeben hat. Auch Udo Walz, in Begleitung seines Mannes Carsten Thamm, bekennt sich als zufriedener Ex-Patient und nennt den Professor inzwischen einen Freund. Und der Chef der Villa Grisebach, Bernhard Schultz, schildert, wie er nach einem schweren Unfall mit vielen komplizierten Brüchen wieder vollständig hergestellt wurde, mit dem Zusatz freilich, „dass das zehn Jahre zuvor so noch nicht möglich gewesen wäre.“

Eberhard Diepgen dagegen hatte Glück und wirklich nur politisch zu tun mit Haas. Die frühere Ministerin Brigitte Zypries ist gekommen, Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres und ihr Vorgänger Jürgen Zöllner, der frühere Chef aus Hannover Harald Tscherne und viele Charité-Mitarbeiter. Insgesamt etwa 300 Leute haben sich zunächst in der früheren Kapelle der Bolle-Meierei versammelt, wo die Mitarbeiter einst jeden Arbeitstag mit einem Gottesdienst begannen, wie Haas erzählt.

Russische Ehrendoktorwürde und Mitglied im Stab des Weißen Hauses

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller schildert, wie Haas durch die Zusammenlegung der Unfallchirurgie und der Orthopädie das beste Zentrum national und auch darüber hinaus geschaffen habe. Er verrät auch, dass Haas medizinischer Ansprechpartner bei Staatsbesuchen von US-Präsidenten war und als solcher ehrenhalber in den medizinischen Stab des Weißen Hauses aufgenommen worden sei. Vor allem erinnert er an das herausragende ehrenamtliche Engagement, allein 26 Funktionen im In- und Ausland, dazu 13 Beiratsmitgliedschaften, dafür mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet, außerdem mit einer russischen Ehrendoktorwürde.

Charité-Chef Karl Max Einhäupl hebt die Unterstützung hervor, die der scheidende Chefarzt seitens der Familie bekommen hat, Frau und eine Tochter ebenfalls Medizinerinnen und die andere Tochter fürs Strategische zuständig als Unternehmensberaterin. Ganz ohne freundliche kleine Spitzen gehen die Würdigungen natürlich nicht ab. Dass dem Jesuitenschüler Bescheidenheit nicht unbedingt als Zier gegolten habe, dass er so manche Patienten und auch Dokumentarfilmer an das alte Bild vom „Halbgott in Weiß“erinnert hat, dass es Assistenten nicht immer leicht hatten, wird auch erwähnt an diesem Abend, macht so viel Lob aber vielleicht auch erträglicher.

Ursprünge bei Friseuren

Karl Max Einhäupl, der zusammen mit Haas auch die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko behandelt hat, führt nicht nur die Erfolgsstatistik des Kollegen fort. Zur Überraschung von Udo Walz erwähnt er, dass die Unfallchirurgie ursprünglich in Gestalt der Feldschere aus dem Friseurhandwerk hervorgegangen sei.

Den Nachfolger Michael Schütz trugen viele gute Wünsche ins neue Amt. Er soll nun das fachübergreifende Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC), weiterentwickeln als Traumazentrum von internationalem Rang. Auch er ist ein überzeugter Verfechter des interdisziplinären Zusammenwirkens der chirurgischen Fächer, nicht nur mit der Anästhesie und der Notfallmedizin, sondern auch mit der Geriatrie. Seit 2004 ist er Chef der Unfallchirurgie in Brisbane. Zwar gehe er nun von der Brücke, wolle aber weiter zur Verfügung stehen, sagte Norbert Haas. Es gab noch etliche Anekdoten zu erzählen. Angela Merkel plauderte bis nach Mitternacht entspannt mit den Professoren. Und Roland Hetzer schwärmte von „einem Klinikfest alten Stils“. Dabei hatte der Gastgeber bei den Einladungen selbst die Nachbarn nicht vergessen, die gelegentlich Päckchen für ihn annehmen. Abschied eines Großen mit Blick für die wichtigen Kleinigkeiten.

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