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Berlin: "Nordstern" und "Momo" ziehen Stämme aus dem Spandauer Forst

Übermütig schüttelt "Nordstern" die blonde Mähne und schnauft kräftig. Für den dreieinhalbjährigen Wallach begann gestern der Ernst des Lebens.

Übermütig schüttelt "Nordstern" die blonde Mähne und schnauft kräftig. Für den dreieinhalbjährigen Wallach begann gestern der Ernst des Lebens. Die nächsten 13 bis 14 Jahre lang muss das Schleswiger Kaltblut sein Futter selbst verdienen. Verschwitzt steht der Vierbeiner bei eisiger Kälte im Jagen 28 des Waldes an der Schönwalder Allee. Bei den Berliner Forsten nahm er gestern zusammen mit dem ein Jahr älteren "Momo" die Arbeit als Rückepferd auf.

"Hooh, hooh, vorwärts" ruft Hartmut Wedde. Seit 15 Jahren ist er Gespannführer bei der Forstverwaltung und kennt sein Metier. Noch will "Nordstern" nicht immer so wie sein neuer Partner. "Der ist noch ein bisschen aufmüpfig, ein richtiger Randalemacher", sagt Züchter Hermann Drechsler aus Mollhagen. Drei Jahre hat der fuchsfarbene Kaltblüter auf der Weide verbracht, erst eine Woche im heimischenn Schleswig-Holstein für den Waldeinsatz trainiert. Da darf er sich ein paar Eskapaden erlauben. Während "Nordstern" nervös mit den Hufen scharrt, lässt sich der erfahrene "Momo" nicht aus der Ruhe bringen. "Wald, das ist sein Leben", weiß Vorbesitzer Ralf Hohenstein.

Für die Pferde beginnt das Training zum Arbeitseinsatz mit der Fahrausbildung. Erst wenn sie eine Kutsche ziehen können, folgt die "Rückeschulung". Einen Festmeter, das sind zehn bis zwölf schwache Kiefernstämme mit rund 200 Kilogramm Gesamtgewicht, zieht ein Schleswiger schon einmal im Stück, bei 20 bis 30 Festmetern liegt die Tagesleistung. Um 7.30 Uhr, im Sommer eine Stunde früher, beginnt für "Nordstern" und "Momo" künftig der Arbeitstag. Je nach Entfernung geht es auf eigenen Hufen oder per Transporter zum Einsatzort. Schraubstollen auf den Hufeisen dienen im Winter auf den vereisten Waldwegen als Rutschbremse. Der Fünf- bis Sechs-Stunden-Tag wird selbstverständlich durch eine Frühstückspause für Mensch und Tier unterbrochen. Für die Vierbeiner gibt es dann eine Zwischenmahlzeit Heu. Auch sonst hat "Nordstern" ideale Ausbildungsbedingungen gefunden. Die Fünf-Tage-Woche ist selbstverständlich, am Wochenende geht es auf die Koppel.

Wer viel arbeitet, muss auch viel essen. Bis zu zehn Pfund Hafer verdrückt jeder der beiden Kaltblüter pro Tag, dazu kommen Heu, Rüben und im Sommer auch noch Grünfutter. Mit rund 800 Kilogramm bringt jedes der Pferde das Gewicht eines Kleinwagens auf die Waage. 6000 Mark haben die Berliner Forsten pro Pferd an "Ablösesumme" gezahlt, ein voll ausgebildetes Tier ist nicht unter 10 000 Mark zu haben, so Hermann Drechsler. Rund zwei Jahre wird es dauern, dann hört auch "Nordstern" allein auf die Stimme seines Führers.Für den Spandauer Revierförster Dirk Köster sind die beiden Schleswiger bereits die zweite Generation von vierbeinigen Helfern. "Max" vom Team der ersten Stunde ist vor einem halben Jahr gestorben. Der 17jährige "Virgil" erhält sein Gnadenbrot und trabt als Rentner gelegentlich noch mit in den Wald, um den Nachwuchs anzuleiten. In der Vergangenheit durch die Motorisierung im Bestand gefährdet, nimmt die Nachfrage nach Schleswiger Kaltblutpferden als Arbeitstiere langsam wieder zu. Die Berliner Forsten setzen zwölf von ihnen ein, um gefälltes Holz bodenschonend aus den Wäldern zu bringen.

Rainer W. During

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