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Notbusfahrer: Solidarisch mit den Besserverdienenden

Viele Notbusfahrer sind im Streikstress - und bleiben trotzdem gelassen

Dieter Vierjahn ist Notbusfahrer. Zusammen mit seinen Kollegen hält der Mitarbeiter eines privaten Busunternehmens den Notfallplan der streikgeplagten BVG am Laufen: Mehr als 100 Busse sind im Einsatz, viele fahren im Zehn-Minuten-Takt. Vierjahn lenkt momentan einen Ersatzbus für die M 4 zwischen Alexanderplatz und Falkenberg. „Ich bin seit neun Tagen am Stück im Dienst“, sagt er, „morgen habe ich zum Glück endlich frei.“ Der Bus sei vor allem nach Schulschluss schon ziemlich voll, und die Zeiten für die Strecke viel zu knapp bemessen: „Wir sollen eigentlich alle 30 Minuten fahren, doch das haut nicht hin, wenn die Straßen voll sind.“ Tatsächlich brauche er für die Strecke häufig 45 bis 60 Minuten. Trotzdem wirkt der Fahrer noch erstaunlich gelassen.

Viele Kollegen von Dieter Vierjahn wollen ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Ihre Erfahrungen im Notverkehr sind zweigeteilt: „Zum einen gibt es die Fahrgäste, die sich freuen, dass überhaupt ein Bus kommt“, sagt ein junger Fahrer. Die Mehrheit der Fahrgäste bleibe auch nach nunmehr zehn Streiktagen gelassen. Diese Gäste seien froh, wenn mal ein Bus komme. Viele bedankten sich persönlich und drückten ihm auch schon mal ein Zwei-Euro-Stück in die Hand – obwohl die Notbusfahrer für den Transport kein Fahrgeld kassieren.

„Dann gibt es aber auch die anderen, die einen annölen, und auch schon mal aggressiv und persönlich werden“, sagt der junge Fahrer, der sich auch über die schlechte Beschilderung an den Notbushaltestellen ärgert. „Im Moment habe ich eigentlich einen Zweitberuf – der Bus ist mein Auskunftsbüro“, sagt er. Mindestens jeder zweite Fahrgast frage, wann der Bus zurückfahre, wie man weiter zum Hauptbahnhof komme, oder wie lange der Streik denn überhaupt noch andauere. „Irgendwann nervt das dann schon“, sagt der junge Mann hinterm Steuer. Zumal die streikenden BVGer deutlich mehr verdienten als er selbst: „Wir hätten ja alle gern mehr Geld, aber heute kann doch jeder froh sein, dass er überhaupt Arbeit hat.“ Die Forderungen der BVG-Mitarbeiter findet er zu hoch. „Fünf Prozent mehr würden doch auch reichen“, sagt er.

Auch ein älterer Kollege im Notdienst hält die Forderungen der BVG-Beschäftigten für übertrieben. „Wenn sie wenigstens alle das gleiche fordern würden, aber jede Gruppe, die neuen und die alten Beschäftigten, wollen ja unterschiedliche Dinge,“ sagt er. Das mache die Verhandlungen sehr unübersichtlich, und das Streikende rücke in weite Ferne.

Andere Notbusfahrer zeigen mehr Verständnis für die Forderungen der streikenden Kollegen von der BVG: „Unternehmen sollen ihre Mitarbeiter anständig bezahlen“, sagt er, „auch die BVG-Fahrer“. Dass er selbst deutlich weniger Geld verdient, sei für ihn kein Argument, unsolidarisch zu sein: „Der Streik ist richtig, denn freiwillig rückt kein Konzern mehr Geld raus.“ Ein Kollege stimmt ihm zu: „Es geht bei dem Streik doch auch darum, was man sich gefallen lässt, und was nicht. Wenn wir könnten, würden wir doch auch streiken“, sagt er. Denn es werde schließlich immer schwieriger, vom eigenen Monatslohn eine Familie zu ernähren. Dass er möglicherweise auch nach Ostern weiter im Notbus sitzen muss, stört den Fahrer nicht: „Ich muss sowieso arbeiten, da ist es doch egal, für wen.“ Rita Nikolow

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