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Berlin: Nur das Namensschild fehlt noch an der Tür

Zurück im Büro: Der erste Arbeitstag des Generalstaatsanwalts Karge nach seinem Sieg gegen die Justizsenatorin

Er ist wieder im Spiel. Gut gelaunt präsentiert sich Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge an seinem ersten Arbeitstag. Auf dem Schreibtisch steht der Tee, daneben ein Strauß Blumen, überreicht von den Damen im Vorzimmer. Der Empfang bei Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) fiel um acht Uhr morgens eher kühl aus, immerhin: „Wir haben die mitteleuropäischen Umgangsformen gewahrt“, sagt Karge. Und grinst.

Sein Chef am Kammergericht will ihn nicht. Die Senatorin will ihn nicht. Die Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat ihn abgewählt. Und unter den Staatsanwälten zählt Karge vermutlich auch mehr Feinde als Freunde. Er könnte sich zurückziehen, in sein Haus im Odenwald, mit 61 Jahren und 75 Prozent seiner Bezüge. Könnte Stress, Kabale und Kritik vergessen. Vermag es aber nicht. „Es geht um’s Prinzip“, sagt der „General“ und faltet die Hände vorm Bauch. Einen wie ihn jage man eben nicht wie einen Hund vom Hof. „Ich will selbst entscheiden, wann ich aufhöre.“ Deshalb hat Karge nach dreimonatiger Pause jetzt wieder seinen Dienst im Moabiter Kriminalgericht angetreten, Zimmer 519. Das Namensschild an seinem Büro fehlte mittags noch, dafür war der Computer bereits eingerichtet, die Büroschlüssel wieder am Bund und ein paar Kollegen hatten auch schon bei ihm angerufen. „Die finden es toll, dass sich der Chef gewehrt hat.“

Gegen das Abgeordnetenhaus. Und gegen Senatorin Schubert, die seine Abwahl initiiert hatte, weil das Vertrauensverhältnis zum Generalstaatsanwalt „zerrüttet“ sei, da sich dieser immer wieder über ihre Weisungen hinweggesetzt habe. Karge wiederum behauptet, dass die Senatorin politischen Einfluss auf die Ermittlungen zur Bankaffäre ausüben wollte. Im August glaubte Schubert, den missliebigen Juristen endlich los zu sein, am vergangenen Freitag bekam Karge vor dem Berliner Verwaltungsgericht Recht und damit vorerst seinen Posten zurück. Am Montagmorgen einigten sich die Kontrahenten in Schuberts Dienstzimmer auf einen vorläufigen Waffenstillstand – bis zur nächsten juristischen Runde am Oberverwaltungsgericht.

Karge drückt das an seinem Schreibtisch so aus: Er habe derzeit kein Interesse an „unnötigen Streitereien“, aber für Presseauskünfte zum Thema Bankgesellschaft stehe er weiterhin gerne zur Verfügung. „Das würde ich mir nicht verbieten lassen.“ In den nächsten Monaten wolle er außerdem angehen, was er bereits seit Jahren betreibe: Die Verwaltungsreform der größten Staatsanwaltschaft Deutschlands. Karge gibt sich wieder einmal kernig: „Wir müssen uns beweisen und dürfen nicht jammern!“

Man kennt das bereits. Schon kurz nach seiner Wahl 1994 fiel Karge mit strammen Sprüchen auf und brachte Richter, Strafverteidiger und Staatsanwälte gegen sich auf. Er forderte mehr und schnellere Verhaftungen, härtere Strafen und „altpreußischen Gehorsam“. Manche Ankläger fand er verwöhnt, egoistisch und jammernd. Die Grünen-Rechtsexpertin Renate Künast, heute Bundesministerin, forderte bereits 1997 seine Ablösung. Zwei Strafverteidiger – darunter der jetzige Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele – zeigten Karge wegen Beleidigung und übler Nachrede an. Der ehemalige Justizsenator Wolfgang Wieland machte Karge „für die unerträgliche Atmosphäre in der Staatsanwaltschaft und die Flucht aus der Staatsanwaltschaft“ verantwortlich. Und Karges Chef, der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, zeigte sich „tief betrübt über den Schlamassel“.

Der General nickt, wirkt auf einmal selbst bedrückt. „Stimmung und Klima sind schlecht“, sagt er. Daran habe in seiner Behörde keine Schulung und kein Coaching etwas ändern können. Karge nennt es sein persönliches „Image-Problem“. „Dass ich das in all den Jahren nicht lösen konnte, gehört zu meinen Enttäuschungen.“ Aber er kann es ja noch wettmachen, bis die Sache endgültig vorm Oberverwaltungsgericht entschieden wird. Mit drei Jahren rechnen die einen. Fünf, schätzen die anderen. Und wenn man Karge in der Zwischenzeit versetzen würde? Dann zieht er wieder vors Gericht. „Denn es gibt in Berlin keine vergleichbare Stelle.“

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