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Update

Öffentliche Diskussion mit Andrej Holm: "Die Koalition wäre zerbrochen"

Erst am Montagvormittag hat Andrej Holm seinen Rücktritt erklärt. Für den Abend lud er zu einer öffentlichen Diskussion in einem Industrieatelier in Wedding. Dort gab er sich kämpferisch.

Er hat noch viele Fans. Mehr als 200 Aktivisten und Interessierte drängelten sich am Montagabend in einem Industrieatelier im Wedding, um den am Morgen zurückgetretenen Bau-Staatssekretär Andrej Holm zu feiern und mit ihm über neue mieterpolitische Initiativen zu reden. Holm, der wegen seines umstrittenen Umgangs mit der eigenen Stasi-Vergangenheit in der Koalition unter Druck geraten war und schließlich vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) zum Rückzug aufgefordert worden war, wirkte nach seinem letzten turbulenten Arbeitstag als Berufspolitiker gelöst.

„Atmosphärisch fühle ich mich bei Euch wohler als in der Politik“, sagte der Stadtsoziologe und Gentrifizierungskritiker. Das Publikum, das er spontan in seiner Rücktrittserklärung hierher eingeladen hatte, dankte es ihm mit Applaus und Rufen wie „Willkommen zurück!“ oder „Holm, Du bist toll.“

Der 46-Jährige gewährte auch Einblicke in sein Seelenleben. Durch die Rücktrittsaufforderung Müllers sei das rot-rot-grüne Bündnis am Rande eines Bruchs gewesen. „Am Dienstag hätte es eine Kampfabstimmung des Senats gegeben, dann wäre die Koalition zerbrochen.“ Sein Leben sei begleitet von einem Spruch, an den er sich wieder erinnert gefühlt habe: „Alles was da kommt, ist schlimmer als das was wir haben.“ Er rechne der Linken an, deren Bausenatorin Katrin Lompscher ihn berufen hatte, dass „sie mich nicht fallen lassen wollte“. Allerdings räumte Holm später in kleinem Kreis ein, am Wochenende hätten ihn auch linke Spitzenpolitiker angerufen, weil sie die Koalition retten wollten.

"Ein Rücktritt ist kein Rückzug aus der Stadtpolitik" schrieb er Holm in seinem öffentlichen Facebook-Profil.
"Ein Rücktritt ist kein Rückzug aus der Stadtpolitik" schrieb er Holm in seinem öffentlichen Facebook-Profil.

© dpa/ Rainer Jensen

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Am Mittwoch entscheidet die Humboldt-Universität zu Holms Zukunft

Holm nutzte das Forum, die Mieter-Aktivisten der Stadt, die unter dem Label „#holmbleibt“ mehr als 15.000 Unterschriften für seinen Verbleib gesammelt hatten, weiter um sich zu scharen. Derzeit sei die Koalition „nicht in dem Zustand, dass wir uns auf sie verlassen können“, dass also eine Wende hin zu sozialer Mietenpolitik möglich sei, sagte Holm unter Beifall. „Ab morgen müssen wir anfangen, die Politik vor uns herzutreiben.“

Am morgigen Mittwoch entscheidet die Humboldt-Universität zunächst über Holms berufliche Zukunft. Sie prüft arbeitsrechtliche Konsequenzen, weil Holm bei seiner Anstellung 2005 seine hauptamtliche Stasi-Tätigkeit verneint und die falsche Angabe gemacht hatte, bloß Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ geleistet zu haben. Vielmehr hatte Holm aber als Jugendlicher im Revolutionsherbst 1989 eine Offizierskarriere bei der DDR-Geheimdienstpolizei aufgenommen – zunächst mit einer militärischen Grundausbildung, dann mit einem Dienst bei der Stasi-Bezirksverwaltung, bei dem er nach eigener Erinnerung nur in einer Schreibstube saß, Betriebsberichte zusammenfasste oder verfasste. Holm erklärte seine falschen Angaben mit Erinnerungslücken und noch am vergangenen Freitag in einer Erklärung mit seinem damaligen „Wissensstand und Selbstbild“.

Mehrere Redner kritisierten auch die Medienberichte

Das Publikum hatte für Holms Rücktritt sowieso andere Schuldige ausgemacht. So wurde ein Baufilz in der SPD beklagt, ebenso das schlechte Krisenmanagement der Koalition und der Linken. Mehrere Redner kritisierten auch die Medienberichte insbesondere des Tagesspiegels über Holms Stasi-Vergangenheit. Nach einer Stunde löste sich die Veranstaltung auf, weil viele Aktivisten zum Maxim-Gorki-Theater in Mitte ziehen wollten, um gegen einen Auftritt Michael Müllers zu protestieren. Sie stimmten sich mit Parolen ein wie: „Es kann viel passieren, wenn wir uns organisieren.“

Andrej Holm scheint sich schnell wieder neu zu organisieren - in seinem alten Milieu.

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