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Öffentliche Kantinen: Im Rathaus bleibt die Küche kalt

Öffentliche Kantinen gehören zu einer aussterbenden Art – dabei können sie sich über mangelnde Stammkundschaft nicht beklagen. Die Bezirke müssen sparen.

Es liegt nicht allein an den Buletten, eingelegten Heringen und orientalischen Spezialitäten für höchstens 4,20 Euro. Der ehemalige Journalist Victor Grossman hat noch aus einem anderen Grund 150 Unterschriften für die Erhaltung der Rathauskantine an der Karl-Marx-Allee gesammelt und an den Regierenden Klaus Wowereit geschickt. „Mehr als die Hälfte der Gäste sind Rentner wie ich – für sie ist das Mittagessen der einzige Ausgang am Tag“, sagt der 81-Jährige. Es gebe in der Nähe keinen anderen Ort, wo sich derart günstig und gut speisen lasse – und darum seien die Kantinengänger angesichts der drohenden Schließung ziemlich verzweifelt.

Dass die Berliner Rathauskantinen aus Sicht der Mitarbeiter und anderer Stammgäste auch Orte der Geselligkeit sind, um die es sich zu kämpfen lohnt, belegen weitere 300 Unterschriften für die Kantine im Rathaus Wedding. Das Bezirksamt Mitte prüft derzeit, ob auf die Kantinen in den drei Rathäusern des Großbezirks aus Spargründen verzichtet werden kann.

Berlinweit gehören öffentliche Kantinen zu einer aussterbenden Art. Vor einem Jahr etwa schloss die Küche des Finanzamtes an der Martin-Buber-Straße, über Jahrzehnte eine Institution in Zehlendorf. Besonders für ältere Anwohner waren die speckgefüllten Rouladen und Kartoffeltaschen ein willkommenes Mittagessen – ohne dafür weit laufen, Einkaufstaschen schleppen oder selbst am Herd stehen zu müssen. Ebensolche Treffpunkte sind die Rathauskantinen, die derzeit in Wilmersdorf, Weißensee und Mitte auf der Kippe stehen.

In Mitte ist vor allem die Lage der Kantine an der Karl-Marx-Allee prekär. Schon im kommenden Jahr könnte es dort zur Schließung kommen, sagt Bezirksstadtrat Carsten Spallek (CDU). Der Pachtvertrag dort läuft noch bis Juli, aber der Bezirk sieht eindeutiges Sparpotenzial. Im Januar werde die ebenfalls im Rathaus befindliche Bertolt-Brecht-Bibliothek geschlossen, sagt Spallek. Auf den 893 Quadratmetern bisheriger Kantinen- und Bürofläche könne der Bezirk Büros für seine gesamte Personalabteilung einquartieren. Diese arbeitet bislang in einem Gebäude an der Seestraße, das der Bezirk dann nicht mehr benötigen würde. Dadurch spare man jährlich 282 000 Euro ein, was die Umbaukosten von 600 000 Euro bald wieder einspielen würde. Allerdings gilt ab Januar in Mitte eine Haushaltssperre. Solange sie in Kraft ist, kann nicht umgebaut werden.

Größere Überlebenschancen haben dagegen die Rathauskantinen in Wedding und Tiergarten. Zwar seien die Pachtverträge dort schon zum kommenden Januar beziehungsweise März gekündigt worden, sagt Spallek. Allerdings müsse noch geklärt werden, ob sich diese Standorte überhaupt effizienter nutzen lassen. Ein Umbau der im Keller untergebrachten Kantine an der Müllerstraße in Wedding koste beispielsweise 600 000 Euro. Dort könnte man zwar Akten lagern, allerdings sei derzeit offen, ob dafür Bedarf bestehe. Außerdem reicht das Geld nach Ansicht von Stadtrat Spallek derzeit nicht für Bauarbeiten in beiden Rathäusern aus.

In Wilmersdorf hakt es aus anderen Gründen. Hier hat der Pächter seinen Vertrag vorzeitig zum Jahresende gekündigt, weil sich der Betrieb mit den niedrigen Essenpreisen nicht rentabel führen lasse. „Wir suchen einen neuen Pächter“, sagt Wolfgang Daus, Leiter der Immobilienabteilung in Charlottenburg-Wilmersdorf. Im Bezirksamt habe man keine Sekunde darüber nachgedacht, die Kantine von sich aus schließen zu wollen. Wie schwierig allerdings die Suche nach einem Wirt sein kann, erlebt man derzeit in Pankow. Bereits seit Juli ist die Küche im Rathaus Weißensee dicht, der Pächter kündigte ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen. Der Bezirk Pankow möchte die Kantine wieder beleben und sucht nach einem Betreiber, der sich von der schwierigen Ausgangslage nicht abschrecken lässt. „Unsere Küche dort hat leider noch den alten Standard aus DDR-Zeiten“, beklagt Immobilienstadträtin Christine Keil (Linke). „Eine komplette Sanierung bekommen wir als Bezirk nicht hin.“

Für die Mitarbeiter des Rathauses Pankow probiert der Bezirk laut Keil ein anderes Modell aus: Das Bezirkspersonal kann neuerdings in einem Restaurant in der Nähe günstig essen. Ähnlich wird es in Lichtenberg gehandhabt, wo die Kantine an der Große-Leege-Straße schon seit zwei Jahren leer steht. Die Bezirksmitarbeiter in Hohenschönhausen würden derzeit auf Probe von einem Caterer versorgt, sagt Wirtschaftsstadtrat Andreas Prüfer (Linke). Kantinenfans außerhalb der Belegschaft haben von solchen Modellen allerdings nichts.

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