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Schön warm hier. Der Kunstschmied Michael Soika trotzt auf dem Ostermarkt am Alexanderplatz mit einem Schmiedefeuer der Kälte. Foto: dpa

© dpa

Berlin: Oh, du fröhliche Osterzeit

Der Markt am Alexanderplatz verströmt Weihnachtsstimmung. Die Eier sind in Wolle versteckt, an den Buden gibt es Glühwein. Ein Besuch.

So riecht Ostern im Frühjahr 2013 in Berlin: nach gebrannten Mandeln, Lebkuchen, Zuckerwatte und Glühwein. Dick eingemummelt, den Schal über die Nase gezogen, schieben sich die Besucher des „großen Osterfests“ am Alexanderplatz an den Buden vorbei. Am Giebel der Holzhütten hängt sogar noch die Weihnachts...pardon...Frühlingsbeleuchtung. Die Händler üben sich in Zynismus. Der Großteil der Gäste nimmt das winterliche Osterfest aber gelassen.

Rund um ein kleines Lagerfeuer in einer Tonne direkt neben dem Glühweinstand treffen sich die besonders Harten. Darunter ein älteres Paar aus Heidelberg. Er, den Gläsern zufolge bereits beim dritten Bier, blinzelt zufrieden in die Sonne. Die Frau wärmt ihre Hände über dem Feuer. Mit einem Gabelstapler wird gerade einer neuer Ster Brennholz herbei gebracht. „Lässt sich doch aushalten“, sagt sie. Dabei ist es das kälteste Osterfest in Berlin seit 130 Jahren.

Sogar die Ostereier sind hier in Wolle gepackt. Als hätte jemand den langen Winter vorausgeahnt, sind im sogenannten „Ostereierpartyhaus“ 5000 Eier ausgestellt. Allesamt in Handarbeit umhäkelt. Weltrekord, sagen die Veranstalter. Die Besucherzahlen haben aber gewiss nichts rekordverdächtiges an sich. Der Biergarten ist völlig verwaist. Nur ein Tourist sitzt dort und wippt mit seiner roten Pudelmütze zum Takt der Reggae-Musik, die von der Bühne herüber schallt. Für ein kleines Mädchen ist er die Attraktion heute. Mit großen Augen und offenem Mund zeigt sie auf ihn und blickt fragend zu ihren Eltern. Die Mutter nimmt ihr Kind an der Hand und zieht es weiter: „Das ist kein Weihnachtsmann. Das ist ein Ostermarkt hier.“

Die Enttäuschung ist am Ostermontag aber nicht nur der Kleinen deutlich ins Gesicht geschrieben. Kein Schlangestehen an den Fressbuden, kaum Interesse für die Frühjahrsdeko, die hier überall angepriesen wird. Die einzige, die scheinbar nichts zu meckern hat, ist die Dame mit ihrem Stand für „Südamerikanischen Kunsthandel“. Hauptsächlich Wollmützen hat sie im Angebot, Fausthandschuhe und Schals in allen erdenklichen Längen. Gefragt, ob sie mit den Umsätzen zufrieden sei, lächelt sie nur milde. Ihre Bude liegt schräg gegenüber der Eisdiele, deren Besitzer sich in ein Buch vertieft hat und mit dem Trubel um sich herum bereits abgeschlossen zu haben scheint.

Arnold Bergmann, der mit seiner Eventagentur das Osterfest organisiert hat, ist trotzdem ganz optimistisch. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt er. Die Touristen seien ja ohnehin in der Stadt und müssten auch etwas unternehmen. Etwa zwei Millionen Menschen, schätzt Bergmann, hatten im letzten Jahr den Markt besucht. Kein Wunder, sind doch am Alexanderplatz täglich auch ohne besondere Veranstaltung schon zehntausende Menschen unterwegs. „Wenn es schlimm kommt, haben wir vielleicht 30 Prozent weniger Besucher in diesem Jahr“, schätzt Bergmann. Wegen der extremen Kälte sei das Konzept noch kurzfristig umgestellt worden. Glühwein und Tee wurden wieder ins Angebot genommen. Und auch einige Händler haben sich schnell umentschieden und statt der Frühjahrskollektion noch einmal die Winterklamotten in die Auslagen gepackt.

Die Händler, die ihr Sortiment nicht umstellen konnten, beweisen wenigstens Humor. „Ein Crêpes mit Apfelmus, bitte.“ Die Verkäuferin fragt routiniert nach: „Auch Zucker und Zimt drauf? Schön weihnachtlich?“ Doch kann sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ob sie den Witz heute schon häufiger gemacht habe? Ertappt. „Den Leuten gefällt’s!“, sagt sie. Sidney Gennies

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