zum Hauptinhalt

Berlin: Ohne Fleiß viel Gehalt?: Berlin gibt Millionen für nicht geleistete Arbeit aus

Werden bei der Berliner Polizei Gehälter in Millionenhöhe gezahlt, ohne dass tatsächlich gearbeitet wird? Jedes Jahr sollen über 20 Millionen Mark an Personalkosten aufgewendet werden, ohne dass Polizisten hierfür auch entsprechende Arbeitsstunden ableisten.

Werden bei der Berliner Polizei Gehälter in Millionenhöhe gezahlt, ohne dass tatsächlich gearbeitet wird? Jedes Jahr sollen über 20 Millionen Mark an Personalkosten aufgewendet werden, ohne dass Polizisten hierfür auch entsprechende Arbeitsstunden ableisten. Dies geht zumindest aus einer Studie hervor, die Polizeipräsident Hagen Saberschinsky seit dem Sommer 2000 vorliegt und die ebenso der Innenverwaltung bekannt ist.

Das Papier ist brisant. Im Kern geht es darum, dass die Beamten im polizeilichen Basisdienst jährlich pro Person bis zu 50 Stunden bezahlt bekommen sollen, die sie tatsächlich jedoch gar nicht leisten. Auf der Grundlage von geschätzten 4500 Polizisten werden dadurch die für das Land Berlin entstehenden Mehrausgaben auf rund 10 Millionen Mark beziffert. Hinzu kommen knapp 2400 Angestellte der Wachpolizei und in den Gefangenensammelstellen. Bei ihnen soll sich die Minuszeit, so das Problempapier, auf rund 80 Stunden im Jahr summieren. Geschätzte Mehrausgaben für das Land Berlin demnach noch einmal etwa 14 Millionen Mark. Manipulation oder gar eine Betrugsabsicht seitens der Polizeiangehörigen liegt allerdings nicht vor. Die Ursache für die bezahlte, aber nicht geleistete Arbeit soll vielmehr in einer falschen Berechnung von Arbeitszeiten und Urlaubsansprüchen durch die Polizeibehörde liegen. Das Problem scheine "grundsätzlich in der Anpassung entsprechender dienstlicher Vorschriften an die aktuelle (geänderte) Rechtslage, somit der Sicherung eines rechtlich einwandfreien Sollzustandes zu liegen", heißt es in dem Papier.

Verschiedene Regelungen, die bei anderen Behörden längst gang und gäbe sind, wurden bei der Berliner Polizei noch nicht umgesetzt. So würden Urlaubsansprüche, Pausenzeiten sowie Dienstbeginn und Dienstende vielfach noch auf einer Basis berechnet, die nicht der geltenden Rechtslage entsprechen. Überwiegend zugunsten der Beamten und Angestellten. Wie dies zu ändern sein könnte, ist in der Studie in Musterdienstplänen dargestellt. Sowohl die gültige Rechtssituation wie auch die gängigen Anforderungen arbeitsmedizinischer, arbeits- und sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse seien dabei berücksichtigt.

Im Polizeipräsidium wird die Seriosität der Berechnungen bestritten. Schon die zugrunde gelegte Zahl der Schichtdienstbeamten sei zu hoch angesetzt, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Während in der Studie von 4500 Beamten ausgegangen werde, seien es inzwischen durch die Einführung des so genannten "Berliner Modells" tatsächlich nur noch rund 2200. Dadurch wird die Situation indes nicht viel besser, denn seit dem Eingang des Schreibens ist bereits jetzt ein halbes Jahr verstrichen. Laut einem Aktenvermerk wurde der "Gesamtvorgang" im Juni 2000 von Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert "dem Stab des Polizeipräsidenten zur Prüfung übergeben".

Erkennbare Konsequenzen hat es seither nicht gegeben. Es werde geprüft, heißt es bei der Polizei. Hinsichtlich der Pausenzeiten sei diese inzwischen abgeschlossen. Die Vorwürfe seien unbegründet, Veränderungen somit nicht notwendig. In der Frage der Anpassung von Schichtdiensten dauere die Prüfung noch an.

"Wir haben nicht den Eindruck gewinnen können, dass Polizeipräsident und Innensenat untätig gewesen sind", sagt Stefan Paris, Sprecher von Innensenator Werthebach. Die lange Bearbeitungsdauer erkläre sich daraus, dass man "solche Fragen nicht nebenbei prüft". Dem Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei ist der Vorgang ebenfalls bekannt. Auch er habe seinerzeit um eine Prüfung gebeten, so der GPR-Vorsitzende Uwe Hundt. Seither sei ihm persönlich hierzu nichts mehr bekannt geworden.

Dass die Polizeibehörde jedoch einen "rechtswidrigen Zustand einfach so belässt", kann sich Hundt nicht vorstellen. Ähnlich reagiert Eberhard Schönberg, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. "Die Behörde schenkt uns eigentlich nichts", meint er. Sollten die Berechnungen jedoch zutreffen, "dann hätte man in der Tat schneller und sichtbar reagieren müssen".

Otto Diederichs

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false