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OP-Skandal: Senat fordert Warnsystem für Kliniken

Die fehlerhafte Operationen am Berliner St.-Hedwig-Krankenhaus werden untersucht. Der Druck auf den Hersteller der Kniegelenke wächst.

Vor dem Hintergrund von falsch eingesetzten Knieimplataten in einem Berliner Krankenhaus erwägt der Senat eine staatliche Überwachung des Marktes für Medizinprodukte. Das Medizinprodukterecht setze derzeit auf Deregulierung und Selbstverpflichtung der Wirtschaft, sagte Gesundheitsstaatssekretär Benjamin-Immanuel Hoff (Linke). Das gehe offenbar zulasten der Verbraucher. Hoff hatte sich zuvor über die Vorgänge im Berliner St.-Hedwig-Krankenhaus informiert. Er kündigte an, dass eine Expertenkommission die Vorfälle untersuchen und mögliche Schlussfolgerungen für einen „verbesserten Verbraucherschutz“ prüfen werde. Hoff sagte, dass bei den falsch eingebauten Kniegelenke „kein fehlerhaftes Verhalten des Krankenhauses“ vorläge.

Im Fall der im St.-Hedwig-Krankenhaus falsch eingesetzten Kniegelenke wächst der Druck auf den Hersteller. Die zunächst englischsprachige Beschriftung sei laut Medizinproduktegesetz ein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht, sagte Robert Rath, Sprecher des zuständigen Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi). Der Hersteller Smith & Nephew hatte nach Angaben des Krankenhauses erst im März 2007 – ein knappes Jahr nach der ersten Lieferung der Prothesen – die Beschriftung durch deutschsprachige Aufkleber ergänzt.

Wie berichtet, hatten Klinikmitarbeiter die englischen Hinweise falsch übersetzt und dadurch die Prothesen als zementfrei einsetzbar eingeordnet – statt richtigerweise als zementpflichtig. Die Herstellerfirma habe diese falsche Einsortierung jedoch als richtig bestätigt. Die Klinik erklärte, sie habe noch keine Antwort auf eine Anfrage erhalten, warum die Prothesen plötzlich mit deutschsprachigen Aufklebern versehen worden seien, wodurch die Verwechslung erst bekannt geworden ist, sagte Fina Geschonneck, Sprecherin des Krankenhauses. Schon vor zwei Monaten habe man bei Smith & Nephew Schadensersatzansprüche angekündigt und die Versicherungsnummer der Firma verlangt. „Bisher hat sich Smith & Nephew nicht dazu geäußert“, sagte Geschonneck. Derzeit prüfe man Schadensersatzforderungen.

Insgesamt 47 Patienten war die Knieprothese falsch eingesetzt worden. Die künstlichen Kniegelenke hätten in den Oberschenkelknochen einzementiert werden müssen. Die Chirurgen seien jedoch davon ausgegangen, dass es sich um zementfreie Prothesen handelt.

Das Lagetsi will am Donnerstag eine Sonderprüfung in dem Krankenhaus vornehmen. Dabei solle auch festgestellt werden, ob eine Mitverantwortung der Ärzte besteht, denn Kniegelenke von Smith & Nephew werden offenbar in vielen Kliniken der Stadt problemlos verwendet. „Seit 15 Jahren werden unsere Prothesen verwendet, bisher hat es keine Beanstandungen gegeben“, sagte Stefan Pickert, Sprecher von Smith & Nephew. Allein in Deutschland beliefere man 40 Kliniken mit den künstlichen Kniegelenken. Anders als vom Sankt-Hedwig-Krankenhaus beanstandet, sei die Beschriftung „unmissverständlich“. Zu dem erst nachträglich angebrachten Aufklebern wollte sich die Firma nicht äußern.

Neue Vorwürfe, das Krankenhaus in Mitte habe ein fehlerhaftes Hüftgelenk nach einer Rückrufaktion des Herstellers weiter verwendet, wies die Klinik zurück. Ende 2004 war das fragliche Modell des österreichischen Hersteller Falcon Medical vom Markt genommen worden, ohne dass dem Krankenhaus dafür Gründe genannt worden seien. Nachdem sich ein Patient im Januar 2005 gemeldet habe, habe die Klinik den Hersteller gefragt, ob es sich bei dem Implantat um ein serienmäßig fehlerhaftes Modell handelt. Erst im Juni 2007 habe der Hersteller das bestätigt. Die Klinik habe daraufhin am 6. Juli die betroffenen Patienten informiert.

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