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Berlin: Ordnung soll sein

„Wir haben hier ’ne Maßnahme!“, ruft die Kiezstreife in Neukölln, als sie den unangeleinten Hund sieht. Und Polizisten ärgern sich, weil Drogendealer als Filmstatisten arbeiten. Ein Tag in der Hasenheide

Gitta R. ist, was man resolut nennt. 46 Jahre alt, hellblonde Locken, energischer Gang. Früher hat sie als Hauswartin gearbeitet und ganz früher eine Kneipe in Kreuzberg gehabt. Jetzt ist sie Kiezstreife in der Neuköllner Hasenheide und muss eins gleich zu Beginn mal klarstellen: „Der Park hier ist nicht lebensgefährlich.“

Der Park hier: 420000 Quadratmeter Grün an der Grenze zu Kreuzberg. Ein Schwerpunkt der Drogenszene. Viele Dealer, viele Kunden. Außerdem: ein Freiluftkino, eine Minigolfanlage, Rosengarten, Spielplatz, Wiesen.

Gitta R. arbeitet seit Dezember für das Ordnungsamt. Zusammen mit ihrer Kollegin Doris K., die größer und stiller ist und früher in der Altenpflege tätig war, „bestreift“ sie den Park, so heißt das im Amtsdeutsch. Man müsse hier vor allem mit Menschen umgehen können, sagt Gitta R.: „Viel reden und begründen, warum diese oder jene Ordnungswidrigkeit geahndet werden muss.“ Überzeugungsarbeit leisten.

Die beiden Frauen in ihren Blusen mit Ordnungsamt-Aufdruck werden von zwei Schutzpolizisten begleitet. Es hat schon Übergriffe auf Kiezstreifen in der Hasenheide gegeben, man hat sie beschimpft und Baseballschläger geschwungen, wenn sie des Weges kamen.

Da erspäht Gitta R. von weitem auf der großen Hauptwiese eine Ordnungswidrigkeit. „Wir haben hier ’ne Maßnahme“, ruft Gitta R. den Polizisten noch zu und geht mit der Kollegin zügig auf zwei Frauen mit Babys auf einer Picknickdecke zu. Sie haben ihren Hund dabei – unangeleint. Die Frauen werden von den Kiezstreifen belehrt, dass es 35 Euro kostet, den Hund nicht an der Leine zu haben. „Aber wir sitzen hier doch nur“, entschuldigt sich die Hundehalterin. Egal. Die Kiezstreifen verstehen die Probleme der jungen Mütter. Aber um das Bußgeld kommen diese nicht herum. Doris K. verlangt den Personalausweis der Hundehalterin, die nicht genug Bargeld dabei hat, während Gitta R. deren Baby auf den Arm nimmt. „Das gehört auch zu unserem Job“, sagt sie.

Die Regel lautet, dass nachmittags mehrere Kiezstreifen-Teams im Park unterwegs sein müssen. Nachmittags, weil dann der Alkohol- und damit der Aggressionspegel ansteigt. Und da heute keine Verstärkung beim Ordnungsamt vorhanden ist, springen die Polizisten ein. „Reine Vorsichtsmaßnahme“, sagt Gitta R., ihr ist noch nichts passiert. Der Polizeiobermeister sagt: „Das kommt noch.“

Und dann sieht er etwas, was er gar nicht glauben kann. Einen polizeibekannter Drogendealer, der hier bei Dreharbeiten im Park mitmacht. Für den Kinofilm „Knallhart“, den Detlev Buck gerade zwischen Zehlendorf und Neukölln dreht. Und der Dealer spielt sich selbst: Das, was er sonst mehrmals täglich tut, vor Polizisten weglaufen, tut er hier als Statist. 50 Euro gibt’s dafür. Kopfschütteln beim Polizeiobermeister. So etwas habe er noch nicht erlebt! In dem Film spielt auch Jenny Elvers-Elbertzhagen mit, die ist aber nicht da. Hätte der Polizist das Filmteam nicht gesehen, hätte er den Drogendealer „weggepflückt“, so sagt er das.

Die vier Ordnungshüter gehen vorbei an den Kamerateams und den filmreifen Drogendealern. Gitta R. und Doris K. vorneweg, die beiden Polizisten in sicherem Abstand dahinter. Am Wochenende verschaffen die wilden Griller, häufig türkische oder arabische Familien, ihnen Arbeit. „Aber die sind sehr einsichtig, wenn sie zahlen müssen“, sagt Gitta R., anders als die Angetrunkenen, die sich oft aufregen über die Kiezstreifen. „Die muss man dann wieder runterholen. Wenn das nicht greift, auch mal deutlicher werden“, erklärt Gitta R. Und mit den arabischen Jungs, die sie provozieren wollen, würden sie schon lange fertig: „Die warten doch nur darauf, dass wir aggressiv werden. Dabei lächeln wir die an.“

Fast am Ende ihrer Schicht gibt es dann noch eine Premiere: Gitta R. schreibt ihren ersten Platzverweis. Anfangs scheint die Lage noch harmlos: Zwei hagere Männer und eine noch hagerere Frau sitzen mit Alkoholflaschen auf einer Parkbank nahe des Spielplatzes. Das Kiezstreifen-Team begrüßt die Leute. „Das ist Niederlassen zum Trinken in der Öffentlichkeit. Das geht nicht“, klärt Gitta R. die Runde auf. Zwei wollen die Flaschen gleich wegpacken und sind einsichtig. Nur der dritte im Bunde stänkert. „Wo steht das im Gesetz?“ Gitta R. belehrt den Mann, der Wert darauf legt, dass er Heinz heißt, den Nachnamen nennt er auch, „schreiben Sie das auf!“, sagt er. Die Worte „Dienstnummer“ und „Beschwerde“ fallen, und Heinz steigert sich als „deutscher Staatsbürger“ immer mehr in die Tatsache hinein, dass er willkürlich dem Trinkermilieu zugerechnet werde, „obwohl ich gar nicht trinke“. Und weil die Lage nun recht kompliziert wird, greift Gitta R. durch und erteilt den Platzverweis. „Das will ich schriftlich mit Quittung“, schimpft Heinz. Und er besteht darauf, dass er zahlen will, „damit ich was in der Hand habe gegen Sie“. Aber Gitta R. kann den renitenten Mann beruhigen: Den Platzverweis gibt’s ganz umsonst.

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