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Berlin: Oswalds Woche: Handys in der Oper

Wenn Sie in der Oper Ihr Handy klingeln lassen, haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass Sie damit kaum noch Aufmerksamkeit erregen können? Kaum Proteste, kaum Beleidigungen, Zurechtweisungen, schlimme Worte?

Wenn Sie in der Oper Ihr Handy klingeln lassen, haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass Sie damit kaum noch Aufmerksamkeit erregen können? Kaum Proteste, kaum Beleidigungen, Zurechtweisungen, schlimme Worte? Es kommt langsam aus der Mode, in der Oper sein Handy klingeln zu lassen, deshalb lassen es die Leute sein. Das gilt zumindest für Berlin. New York ist da noch ein bisschen hinterher. In der Met, Sie kennen das, da braucht Placido Domingo einen vollen Akt, um die Leute davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, sich auf seine Stimme zu konzentrieren. Wenn die Vorstellung beginnt, fangen die Ersten an, ihre Handygespräche langsam und ohne den Teilnehmer am anderen Ende durch abruptes "good bye" zu düpieren, auf die Abschiedsformel hinauslaufen zu lassen. Anderen fällt mit Vorstellungsbeginn ein, dass sie eine längere Zeit mit sich und der Musik allein sein werden - das ist angstauslösend - und sie fangen an, lautstark aus irgendwelchen Schachteln Pillen hervorzukramen und zu schlucken. Und dann gibt es noch ganz viele, die ganz ruhig sind. Das sind die Deutschen. Am letzten Freitag war es die Sängerin Denyce Graves, die die Leute davon überzeugte, dass es wunderbar sein kann, ihrer Stimme zuzuhören. Denyce Graves singt demnächst in der Deutschen Oper die Carmen, und sie kann sicher sein, dass das Publikum früher ruhig sein wird als in der Met. Das könnte für sie ein Grund sein, lieber an der Deutschen Oper zu singen als an der Met. Vielleicht singt Denyce Graves aber trotzdem lieber in New York. Das könnte an den Handys liegen. In New York gibt es viele Leute, die noch alte Handys haben. Die geben, wenn der Saft alle ist, ein furchtbares Geräusch von sich, das man nicht abstellen kann. Es klingt wie das letzte Aufbäumen einer Katze, bevor sie wegen Hungers und Liebesentzugs verendet. Dieses Geräusch passt gut zu allen Musicals, aber nur wenigen Opern. Am Freitag unterstrich es sehr hübsch die Befindlichkeit der Dalila und gab ihrem Ausbruch etwas kalkuliert Katziges. Wenn Denyce Graves in der Deutschen Oper auftritt, können wir also gespannt auf den Einsatz der Handys warten. "Carmen" gibt es auch als Handy-Anrufmelodie.

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