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Eisenbahn war gestern. Der langgestreckte frühere Rangier- und Güterbahnhof Pankow war den Anliegern zu seinen Betriebszeiten ein permanentes Ärgernis. Heute geht es auf dem ca. 40 Hektar großen Gelände ruhiger zu.

© Simulation: KGG

Pankower Tor in Berlin: Wenn Wohnungsbau an einer Shoppingmall scheitert

In Pankow scheitert seit einem Jahr der Bau neuer Wohnungen und dringend benötigter Schulen – obwohl das Großprojekt eigentlich schon besiegelt war. Warum haben sich Investor, Bezirk und Senat verhakt? Eine Analyse.

Ein Handschlag unter Männern, zumal solchen die zu den mächtigsten Berlins zählen, hatten dieses Großprojekt eigentlich schon besiegelt: Das Pankower Tor mit mehr als 700 Wohnungen, Schulen und mehreren Einkaufszentren meinten sie Anfang vergangenen Jahres eigentlich schon auf den Weg gebracht zu haben, der damals Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit mit seinem damaligen Bausenator Michael Müller, Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (alle SPD) sowie Investor Kurt Krieger.

Doch von diesem Zauber des Anfangs ist ein gutes Jahr später nichts mehr übrig. Still ruht die frühere Bahnbrache zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Pankow-Heinersdorf – und die Verantwortlichen schieben sich wechselseitig die Verantwortung für den Stillstand zu. Grund genug nachzufragen, wo es hakt und wer eigentlich was wirklich will.

DER INVESTOR

Seit 2000 laufe die Planung für die Überbauung des alten Güterbahnhofs Pankow, berichtet Kurt Krieger. Bereits das erste Gutachten, das die Senatsverwaltung selbst in Auftrag gab, habe eine Dreiteilung des Grundstücks vorgesehen mit Fachmärkten im Bereich der Prenzlauer Promenade. Nach dem Erwerb der Fläche im Jahr 2009 wollte Krieger ein Möbelhaus, ein Einkaufszentrum und eine großen Grünfläche „in der Tradition des Pankower Bürgerparks“ anlegen.

Weil es aber an Bildungseinrichtungen in dem wachsenden Bezirk fehlt, forderte dieser die Errichtung von zwei Schulen. Krieger sagte zu, die dazu erforderlichen Grundstücke kostenfrei an die Stadt zu übertragen. Als die Wohnungsnot wuchs, habe der Senat den Bau von Wohnungen statt des Parks gefordert, die SPD wiederum wollte günstige Mieten von 5,50 Euro je Quadratmeter für ein Drittel der 750 geplanten Wohnungen.

„Das will ich gerne machen“, sagt Krieger. Damit das Quartier aber finanzierbar bleibt, brauche er die Genehmigung zum Bau eines 30.000 Quadratmeter großen Einkaufszentrums und eines „Höffi“, wie er seine Möbelhäuser nennt.

Letzteres hätten Bezirk und Senat auch nie in Frage gestellt. Und das neu geplante Einkaufszentrum könne das geringe Warenangebot im Pankower Zentrum verbessern, das dem wachsenden Bezirk nicht gerecht werde, findet Krieger.

Der Investor am Pankower Tor: Möbelunternehmer Kurt Krieger.
Der Investor am Pankower Tor: Möbelunternehmer Kurt Krieger.

© picture alliance / dpa

Damit das Einkaufszentrum unverwechselbar wird, will Krieger den historischen „Rundlokschuppen“ in Heinersdorf als Entree nutzen. Dazu soll der 25 Meter hohe Stahlskelettbau abgebaut, saniert und am Bauplatz des Centers neu aufgestellt werden. Mit dem Bezirk sei abgestimmt, dass keine Schnellstraße das Gebiet von Osten nach Westen durchziehen darf. Denn sonst sei wohnwertes Wohnen nicht möglich und „das Fluidum in dem Viertel zum Teufel", sagt Krieger. Aber so einfach ist die Sache nicht.

DER SENAT

Dass es einen „letter of intent“ gibt, bestreitet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, nur „Gespräche zwischen dem Land und dem Bezirk sowie dem Vorhabenträger“ hätten stattgefunden. „Grundsätzlich positiv“ sei das Projekt, der Bezirk aber nun am Zuge, findet der Senat. „Es gibt eine klare Vereinbarung, dass Pankow den Bebauungsplan aufstellen muss“, sagt Bausenator Andreas Geisel (SPD). Dabei seien zwei Fragen zu lösen: wie das Quartier mit Straßen- und Bahn-Netzen verbunden wird und welche Auswirkung ein Einkaufszentrum mit einer Fläche von 30.000 Quadratmetern auf den Einzelhandel im Ortskern von Pankow hätte.

Kompromissbereit zeigt sich der Bausenator in diesem Punkt: Die bisher geplante Schnellstraße, die das Quartier von Osten nach Westen durchziehen soll, könnte wegfallen, falls dies „gutachterlich“ zu vertreten ist. Und auch die vom Bezirk statt einer Straße gewünschte Straßenbahnlinie lehnt der Senator nicht ab, sofern das „wirtschaftlich abbildbar“ sei. Dies alles kann aber erst umgesetzt werden, wenn der Senat den alten Flächennutzungsplan ändert, in dem das Gebiet als Bahnanlage festgelegt ist.

Das dazu erforderliche „Änderungsverfahren“ sei „angestoßen“, so die Verwaltung. Zu Ende bringen könne man das aber erst, wenn Gutachten zu Verkehr und Handel vom Bezirk vorliegen.

DER BEZIRK

Die in einem langjährigen Beteiligungsverfahren gefundene Mischung aus Wohnen, Einzelhandel und Schulen wird von allen Fraktionen unterstützt. Statt einer Straße quer über das Gelände wünscht sich der Bezirk eine Tramlinie. Das geplante Einkaufszentrum mit 30.000 Quadratmetern wird vor allem von den Grünen kritisch gesehen. Das bestehende Zentren-Konzept des Senats, das kein neues Einkaufszentrum in Pankow vorsieht, solle bis zum Sommer „evaluiert“ werden, sagt der grüne Baustadtrat Jens-Holger Kircher (Bündnis 90/Die Grünen).

Nicht die Größe eines neuen Zentrums sei das Problem, sondern die Architektur. Eine Mall sei nicht mehr zeitgemäß. Der Einzelhandel sollte in das Wohnquartier integriert werden. Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) sieht wegen des starken Zuzugs mittelfristig Bedarf für ein weiteres Einkaufszentrum in Pankow. Hier liegt nun der Knackpunkt – und das Gelände liegt erst einmal weiter brach.

Der SPD-Abgeordnete für Pankow, Torsten Schneider, will jetzt die Bürger über die Planung des Möbelunternehmers Kurt Krieger abstimmen lassen. Er ist sich sicher, dass sie das Projekt mit großer Mehrheit unterstützen. Ein Bürgerentscheid, der nicht von einer Bürgerinitiative ausgeht, müsste allerdings durch eine Zweidrittelmehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen werden. Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) findet die Idee „ungewöhnlich“, aber nicht unmöglich: „Wenn es die Sache beschleunigt, bin ich dafür.“

Auch die SPD-Fraktionschefin Rona Tietje findet den Vorschlag „charmant“. Der grüne Baustadtrat Jens-Holger Kircher sieht dagegen kaum Nutzen in einem Entscheid. „Die Konfliktlinien wären dadurch nicht ausgeräumt.“

Noch mehr Neuigkeiten aus dem boomenden Nordosten finden Sie hier in unserem Pankow-Blog.

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