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Berlin: Panne vor dem Start der Schul-Tests: Lösungen im Internet Alle 10. Klassen schreiben ab heute Vergleichsarbeiten Unterlagen wurden offenbar vorzeitig bekannt

Beim Qualitätsmanagement hat die Senatsverwaltung für Bildung anscheinend noch einiges zu lernen. Ausgerechnet bei den heute erstmals flächendeckend beginnenden Vergleichsarbeiten für die Zehnklässler gab es offenbar Pannen und Systemfehler, die ihre Aussagekraft infrage stellen könnten.

Beim Qualitätsmanagement hat die Senatsverwaltung für Bildung anscheinend noch einiges zu lernen. Ausgerechnet bei den heute erstmals flächendeckend beginnenden Vergleichsarbeiten für die Zehnklässler gab es offenbar Pannen und Systemfehler, die ihre Aussagekraft infrage stellen könnten. Nach Informationen des Tagesspiegels sind zumindest die Lösungen für die Fächer Deutsch und Englisch in einem privaten Chatroom aufgetaucht und von Schülern weitergegeben worden.

Bisher ist nicht klar, wo die undichte Stelle war. Fest steht aber, dass die Schulbehörde kein sicheres Verfahren bei der Verteilung der Aufgaben gewählt hat. Dieses Verfahren sieht so aus, dass die rund 100000 Klausurunterlagen – 33000 Berliner Schüler werden in je drei Fächern geprüft – von den Sekretärinnen in den bezirklichen Außenstellen der Schulverwaltung sortiert wurden, damit jede Oberschule die passenden Klassensätze bekam. Die Schulhausmeister sollten die in großen, unversiegelten Kartons verpackten Umschläge zu den Schulleitern bringen, die sie spätestens einen Tag vor der Klausur an die Lehrer weitergeben sollten. In vielen Schulen ist dies Verfahren offenbar nicht eingehalten worden.

Die Schulverwaltung begründet die vorzeitige Verteilung der Unterlagen unter anderem damit, dass zu den Englisch-Klausuren auch tausende CDs gehören, die von den Lehrern auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden müssten. So wolle man Pannen während der Klausuren vermeiden.

Kritik gibt es allerdings nicht nur am laxen Umgang mit den Prüfungsunterlagen. Auch die Tatsache, dass die Lehrer in dieser landesweiten Vergleichsarbeit ihre eigenen Schüler prüfen und korrigieren, wird von Wissenschaftlern mit Unbehagen gesehen: Damit sei der Test nicht mehr objektiv.

„Das schwächt die Aussagekraft ganz erheblich“, urteilt Bildungsforscher Rainer Lehmann von der Humboldt-Universität. Er schlägt vor, dass Partnerschulen ihre Lehrer bei der Korrektur der Vergleichsarbeiten austauschen. Zumindest müsse mit Stichproben kontrolliert werden, ob die Lehrer die Ergebnisse ihrer Vergleichsarbeiten korrekt an die Schulverwaltung weiterleiten oder sie beschönigen.

„Wer lehrt, prüft nicht“, sagt auch FU-Präsident Dieter Lenzen. Diese einfache Regel werde selbst bei der Fahrprüfung beherzigt. Zudem kritisiert der Erziehungswissenschaftler, dass es den Schulen freigestellt wurde, die Vergleichsarbeiten als Klassenarbeiten zu werten oder nicht. „Bei Klassenarbeiten strengen sich die Schüler mehr an“, steht für Lenzen fest.

Diese Ansicht teilen viele Schulleiter. „Wir werten es als Klassenarbeit, weil die Schüler es sonst nicht ernst nehmen“, sagt Klaus Brunswicker von der Schöneberger Sophie- Scholl-Gesamtschule. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass Schulen, die es nicht als Klassenarbeit werten, mit schlechteren Ergebnissen rechnen müssen. Von echten „Vergleichsarbeiten“ kann daher nicht die Rede sein.

Noch hat die Senatsverwaltung Zeit, aus den Fehlern zu lernen. Denn in diesem und nächsten Jahr sind die Vergleicsharbeiten nur ein Probelauf und haben noch keine Bedeutung für die Vergabe des mittleren Bildungsabschlusses. Dies ist erst ab 2006 geplant. Langfristig soll zudem eine neue „Qualitätsagentur“ im Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg dafür Sorge tragen, dass die Vergleichsarbeiten professioneller organisiert werden.

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