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Pariser Platz: Ballermann am Brandenburger Tor

Statisten, Werbe-Events, Demos: Am Pariser Platz herrscht Kirmesstimmung. Doch der Bezirk schafft es nicht, Verbote durchzusetzen.

Ziemlich in der Mitte des Pariser Platzes steht „Buffalo Jack“ wie angewurzelt und lächelt ununterbrochen. Den Speer aufgepflanzt, in der Tracht der Cherokee-Indianer. Nur ab und zu bewegt er sich ein bisschen, wenn ihn die Touristen als Vordergrund für ihre Erinnerungsfotos vom Brandenburger Tor engagieren und ihm dafür ein paar Münzen in die Hand drücken. Zehn Meter vor dem Mann mit dem Federschmuck posiert ein Sowjetsoldat als Fotomodell, davor ein Pantomime, der seine NVA-Uniform silbern angemalt hat. Drumherum tapst ein Typ im Fellkostüm als Berliner Bär, warten Velotaxis und Brezelverkäufer, übertönen die Rhythmen von Streetdancern das Rauschen der Brunnen. Ein Pole mit Pappschild protestiert gegen Ungerechtigkeiten in seiner Heimat, Mazedonier demonstrieren mit gelb-roten Fahnen. Und Bundeswehrgegner bauen gerade ihren Infostand auf.

Es ist Sonnabend, 13 Uhr. Kirmesstimmung unter der Quadriga. Eine Szenerie, um die in Berlin zunehmend heftig gestritten wird. Die einen begrüßen „das quirlige Treiben“. Sie empfinden Demos und Meditationstreffs, spontane Spaßverabredungen übers Internet wie das Massenkuscheln am vergangenen Donnerstag oder die vielen Großveranstaltungen vom Marathon bis zu Sternfahrten als „Belebung des Platzes“.

Kritiker dagegen klagen, das einmalige Ensemble des Brandenburger Tores verkomme durch fliegende Händler, durch Kleinstdarsteller und die immer häufigeren Veranstaltungen zur Billigbühne. Von „Ballermann am Tor“ ist die Rede. Die Architekturzeitschrift „Bauwelt“ nennt dies „Event-Exzesse mit grellen Zügen“. Das Phänomen „Stadtraumbranding“, die „totale Vereinnahmung eines hoch frequentierten öffentlichen Platzes“, um von dessen Prominenz zu profitieren, könne man am Tor beispielhaft studieren. Und der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), rügt gleichfalls die „Eventisierung“. Jeder Respekt vor historischen Orten gehe verloren, sagt er.

Ähnlich argumentiert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der Senat würde deshalb den Bezirken am liebsten die Zuständigkeit für „zentrale, bedeutsame Orte“ wegnehmen und an sich ziehen. Bereits 2007 legte er einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, doch der fand keine parlamentarische Mehrheit. Ein Sprecher der Verwaltung versicherte allerdings am Sonnabend: „Wir beobachten die Situation weiterhin sehr genau.“

Demonstrationen am Tor genehmigt die Versammlungsbehörde beim Innensenator, alle anderen Veranstaltungen an historischen Orten in Mitte wie auch dem Bebelplatz oder Gendarmenmarkt müssen beim Ordnungsamt des Bezirks beantragt werden. Die Kriterien, die dafür gelten, hat der Bezirk Mitte 2009 „in einer Positiv-/Negativliste zusammengefasst und verschärft“, sagt Gothe. Erlaubt werden nur noch Events „mit ausgeprägtem Kunst- und Kulturanspruch“ oder von „herausragender öffentlicher, politischer und sportlicher Bedeutung“. Kritikern genügt das nicht, der Katalog lasse zu viel Interpretationsspielraum, heißt es. Die Zahl der Veranstaltungen habe seit 2009 eher zu- als abgenommen.

Stadtrat Gothe verweist dagegen auf erste Erfolge. „Kommerzielle Veranstaltungen am Tor sind nach unserer Satzung strikt untersagt, fliegende Händler mit Bauchläden dürfen dort nicht verkaufen, auch elektronisch verstärkte Musik ist unerwünscht.“ Dagegen müssten die Streifen des Ordnungsamtes einschreiten. Nur seien diese noch zu selten unterwegs.

Gegen Drehorgler, Pantomimen oder skurrile Fotomodelle ist allerdings auch der Stadtrat machtlos. Er sagt: „Ich kann doch niemand zwingen, sich zu bewegen, anders anzuziehen oder nicht zu musizieren.“

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