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Heimtückische vier Zentimeter. Nach dem ersten Unfall wurde der Absatz zwischen Geh- und Radweg im Park am Gleisdreieck mit schwarz-gelbem Klebeband markiert. In den nächsten Wochen wird die Schwelle weggefräst. Zu schnell sollten Radler dennoch nicht in die Pedale steigen, denn Kinderspielplätze und Trampoline (kleines Foto) liegen unmittelbar an den breiten Pisten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Park am Gleisdreieck in Berlin: Gefahr für Radfahrer: Stolperkante wird wieder entfernt

Planer nennen sie „weiche Trennung“, doch an jener 700 Meter langen Kante am Gleisdreieck können Radfahrer hart fallen. Die Stufe sollte den Rad- zum Fußgängerbereich hin abgrenzen. Nun wird sie für 10 000 Euro wieder beseitigt.

„Achtung Max!“, brüllt ein Vater seinem Vierjährigen zu, der mit dem Kinderrad 50 Meter voraus ist – und auf eine gefährliche Kante zustrampelt. Max’ Papa kennt die Gefahr, andere Kinder, aber auch Erwachsene sind hier schon gestürzt. Vor fünf Wochen ist der westliche Teil des Parks am Gleisdreieck eröffnet worden. Nun soll in den kommenden Wochen für viel Geld eine 700 Meter lange Stolperkante beseitigt werden. Die ist genau vier Zentimeter hoch, Planer nennen das eine „weiche Trennung“ zwischen Fuß- und Radverkehr. Zäune oder Hecken dagegen sind „harte Trennungen“. Dass man auf der weichen Kante hart fallen kann, hat offensichtlich niemand bedacht. Beim Parkbetreiber Grün Berlin aber hat bereits eine Frau Schadensersatz angemeldet.

„Wer hat sich denn das ausgedacht?“, fragt der Vater von Max. Bei Grün Berlin teilt man ihm auf Nachfrage mit: „Die Planer.“ Vor Jahrzehnten wurden derartige Absätze zwischen Geh- und Radweg auf Bürgersteigen noch gebaut, seit einiger Zeit werden sie beseitigt. Denn zahllose Radfahrer sind auf diesen Schwellen verunglückt. Im spitzen Winkel befahren, sind auch vier Zentimeter Stufen hoch gefährlich, im Dunkeln oder bei Schnee stürzen dort selbst versierte Radler. In anderen Städten hat es bei Stürzen auf derartigen Absätzen bereits Tote gegeben.

Nun soll die 700 Meter lange Stufe in den kommenden Wochen weggefräst werden. Mindestens 10 000 Euro wird das kosten. Dem Vernehmen nach überlegen die Herren des Parks auch eine große Lösung, nämlich die „harte Trennung“ von Radverkehr und Parkbesuchern mit mehr Abstand. Entschieden ist das nicht. Zunächst einmal wurde die Stufe mit schwarz-gelb-gestreiftem Klebeband markiert und es sind Bauzäune aufgestellt.

Es ist nicht irgendeine Route, sondern der „Fernradweg Berlin – Leipzig“. Durch den neuen Westpark führt der nun bis zum Schöneberger Ufer. Fünf Wochen sind seitdem vergangen, die neue autofreie Verbindung wird bereits gut genutzt. Noch fehlt die Verlängerung nach Süden über die Yorckstraße. Bald soll es immer an den Gleisen entlang Richtung Südkreuz (und weiter bis Leipzig) gehen. Doch schon jetzt deutet sich ein weiterer Konflikt an: der zwischen schnellen Radfahrern und spielenden oder spazieren gehenden Parkbesuchern. Direkt an der Asphaltpiste liegen Kindertrampoline, Skaterstrecken und Ruhebänke. Weil der nördliche Teil des Westparks so schmal ist, liege alles so dicht beieinander, heißt es bei den Parkverantwortlichen.

Den einzigen schweren Unfall in einem Park hat es auf dem Tempelhofer Feld gegeben. Ende April waren auf einer Startbahn ein Radfahrer und ein Spaziergänger kollidiert. Der 46-jährige Radler stürzte unglücklich und starb durch einen Genickbruch. Ein Tagesspiegel-Leser kritisierte nach dem Unfall, dass auf dem Tempelhofer Feld Rennradfahrer trainierten und dabei Fußgänger und Kinder gefährdeten. Nach Polizeiangaben fuhr der beim Unfall getötete Radler kein Rennrad sondern ein  Mountainbike.

„Jeder Radweg an der Straße ist gefährlicher“

Bei der Feuerwehr hieß es, der schwere Zwischenfall im Park sei ein Einzelfall gewesen. „Jeder Radweg an der Straße ist gefährlicher“, sagte ein Sprecher. Grün Berlin hatte nach dem Unfall mitgeteilt, dass es der erste tödliche Park-Unfall überhaupt gewesen sei und „an das oberste Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme appelliert“.

Eine Mutter auf dem Spielplatz unterhalb der Hochbahnbrücke im Westpark sieht das anders. Sie hat ihre beiden Kinder fest im Blick, die auf Gummimatten hüpfen, die im Boden eingelassen sind. Wenige Schritte neben den Trampolinen verläuft der Radweg – ohne jede bauliche oder optische Trennung. „Keine optimale Lösung“, sagt die Schönebergerin, „vor allem, wenn es bei gutem Wetter sehr voll ist im Park.“

Grün Berlin verweist auf die umfangreiche Bürgerbeteiligung bei der Planung des Gleisdreiecks. Ein Mitarbeiter in der Zentrale meint: „Die Radfahrer sind deutlich zu schnell.“ Dabei seien sie am Gleisdreieck nur „geduldet“. Ein Ausnahme ist der Fernradweg nach Leipzig – doch der ist noch nicht ausgeschildert. Auch die anderen Wege sind breit und asphaltiert – für Radler eine Einladung zum Schnellfahren. Wer wo Vorrang hat, bleibt unklar.

Im Ostpark wurden bereits Schilder an den Eingängen aufgestellt: „Radfahren erlaubt – Fußgänger haben Vorrang!“, im Westpark fehlen die noch. Piktogramme gibt es am Gleisdreieck nicht. Ein Senatsplaner sagt, wieso: Eine solche „Funktionszuweisung“ würden Skater und Radfahrer missbrauchen und sich rücksichtslos den Weg freiklingeln. Grün Berlin setzt auf Rücksichtnahme, nicht auf Verbotsschilder. Neulich lobte ein Senatsplaner: „Dass muss sich auch am Gleisdreieck einspielen.“

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