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Kartellamt prüft: Per Enteignung zu fairen Wasserpreisen?

Das Bundeskartellamt überprüft die Berliner Wasserpreise. Schon jetzt steht fest, dass die Berliner Wasserbetriebe deutlich höhere Preise als andere Versorger haben. Ein früherer Verfassungsrichter spricht sich für Zwangskommunalisierung aus.

Die Überprüfung der Wasserpreise durch das Bundeskartellamt ist aufwendiger als erwartet. Um den „Anfangsverdacht“ überhöhter Wasserpreise in Berlin zu überprüfen, hat die Bonner Behörde 45 Wasserversorgern großer Städte und Gemeinden einen Fragebogen zu den technischen und wirtschaftlichen Grundlagen der Wasserversorgung zugesandt. Ende des Jahres rechnet Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) mit ersten Ergebnissen dieses Vergleichs.

Der Wirtschaftssenator nannte eine Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts „sehr wahrscheinlich“. Er wolle den Ermittlungen nicht vorgreifen. Doch schon jetzt stehe fest, dass die Wasserbetriebe im Vergleich mit anderen Versorgern deutlich höhere Preise haben. Die Berliner könnten nicht vor Frühjahr nächsten Jahres mit einem Ergebnis der Überprüfung rechnen. Sollte das Bundeskartellamt tatsächlich zu der Überzeugung gelangen, dass die Preise bei den Wasserbetrieben überhöht sind, und dagegen vorgehen, wäre dies aus Sicht des Landes Berlin der Königsweg zur Durchsetzung seiner Interessen: Denn bei einer Durchsetzung geringerer Preise per Landesgesetz müsste die dem privaten Investor garantierte Rendite aus dem Landeshaushalt ausgeglichen werden. Dies sieht der Privatisierungsvertrag vor, der im Jahr 2000 vereinbart worden war.

Einer, der gegen den Vertrag gekämpft hatte, ist der Rechtsanwalt und langjährige Richter am Berliner Verfassungsgerichtshof Klaus Martin Groth. Er sagt: „Es gibt ein einfaches Instrument, um die Wasserpreise zu senken: den Privatanteil zurückzusozialisieren.“ Das Grundgesetz sehe vor, dass „Produktivvermögen“ im Falle eines Missbrauchs enteignet werden dürfe. Der Gesetzgeber müsse dann aber eine Entschädigung festsetzen. „Kaufpreis gegen Anteile“, schlägt Groth vor. In den vergangenen zehn Jahren hätten die Privatinvestoren ohne Risiko satte Renditen eingestrichen. „Deshalb würde kein Verfassungsgericht dagegen einschreiten“, so Groth. Einen Haken hat der Plan: In der Geschichte der Bundesrepublik wurde Artikel 14 Grundgesetz noch nie eingesetzt.

Groth rechnet auch mit Klagen von Privaten gegen die Wasserpreise. Einige Mandanten seiner Kanzlei, die auf Ver- und Entsorgung spezialisiert ist, wollten diesen Weg wohl beschreiten. Allerdings seien die Verfahren langwierig.

Mit einer Entscheidung des Bundeskartellamtes ist dagegen früher zu rechnen. Auch wenn sich Behördensprecher Kay Weidner nicht auf einen Zeitpunkt bis zur Vorlage von Ergebnissen festlegen lassen will. Das Amt sei eine kleine Behörde, so dass einzelne Mitarbeiter teilweise an mehreren Prüfungsprozeduren gleichzeitig arbeiteten – das verlängere die Bearbeitungszeit einzelner Vorgänge. Das Verfahren zur Überprüfung der Berliner Wasserpreise sei auch deshalb aufwendig: Der Vorwurf, die Wasserbetriebe „missbrauchen ihre marktbeherrschende Stellung“, sei nur dann begründet, wenn „kostenseitig alle Faktoren berücksichtigt“ würden. Anders ausgedrückt: Überhöht sei der Wasserpreis dann, wenn die Förderung und Aufbereitung von Trinkwasser in Berlin sowie deren Leitung zu den Haushalten von allen berlinspezifischen Sonderkosten bereinigt, trotzdem überdurchschnittlich sei.

Das Kartellamt war nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes zu einem ähnlich gelagerten Fall in der Kleinstadt Wetzlar in Hessen mit der Überprüfung der Berliner Wasserpreise beauftragt worden. Weil dazu ein bundesweiter Vergleich von Wasserpreisen erforderlich ist, hatte das Landeskartellamt den Fall an die Bundesbehörde verwiesen. Ralf Schönball

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