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In der Marcel-Breuer-Schule in Weißensee stehen Technik und Design im Vordergrund. Jetzt soll der erfolgreiche Leiter gegen seinen Willen eine andere Aufgabe übernehmen.

© K. Kleist-Heinrich

Update

Personalpolitik der Bildungsverwaltung: Unbequemer Berliner Schulleiter verliert seinen Posten

Die Querelen um die Fusion zweier Berufsschulen weiten sich aus. Der Staatssekretär wehrt sich mit einem offenen Brief.

Von einem „einmaligen Vorgang“ spricht der Personalrat, der Berufsschulverband ist „besorgt“, die Grünen nennen es „völlig verantwortungslos“: Offenbar wegen seiner kritischen Haltung zu einem Kurswechsel der Bildungsverwaltung verliert einer der erfolgreichsten Berliner Schulleiter seine Position. Es geht um Holger Sonntag, bisher Leiter der Marcel-Breuer-Schule in Weißensee.

„Er wurde am Montag angerufen und für heute früh zum Gespräch mit dem Abteilungsleiter gebeten“, berichtet ein Kollege. „Dort teilte er ihm mit, dass er die Schule nicht mehr leiten soll. Stattdessen wurde ihm eine Stelle in der Lehrerbildung angeboten.“ Was lapidar klingt, hat es in Berlin so noch nicht gegeben. Selbst ausgesprochen erfolglose Schulleiter bleiben jahrzehntelang auf ihren Posten und werden selbst dann nicht gegen ihren Willen umgesetzt, wenn ihnen die Schulinspektion komplettes Versagen bescheinigt. Was ist geschehen?

Am Dienstag früh wurde zum Gespräch gebeten

Hintergrund der Affäre ist ein missglückter Umstrukturierungsversuch innerhalb der beruflichen Bildung: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte eigentlich vor, das Oberstufenzentrum (OSZ) Bautechnik II in Weißensee, die Martin-Wagner-Schule, auf verschiedene Standorte zu verlagern. Dies hätte dem benachbarten OSZ für Glastechnik und Design, der Marcel-Breuer-Schule, die Möglichkeit eröffnet, zu einem „Campus Gestaltung“ zu expandieren. Die Folge waren anonyme Todesdrohungen gegen den Schulleiter der Marcel-Breuer-Schule: Die entsprechenden Zettel hatte jemand im Schulhaus aufgehängt. Zudem gab es harsche Proteste der Bautechniker. Schließlich unternahm Scheeres eine Kehrtwende: Am 4. Juli schrieb sie einen Brief an die Schulen, in dem plötzlich von einem „ergebnisoffenen angelegten Fusionsprozess“ die Rede war. Eine „Steuerungsgruppe“ sollte das Übrige regeln. Noch im Juni hatte sie die ursprüngliche Campus-Version wortreich im Schulausschuss verteidigt.

Das Marcel-Breuer-Kollegium machte dann keinen Hehl daraus, dass es – als Konsequenz der Scheeres-Schreibens vom 4. Juli – die Entwicklung des „Campus Gestaltung“ in Gefahr sah und schrieb seinerseits einen Brief an die Senatorin, in dem von „großem Befremden“ die Rede war. Auch Sonntag hielt bei der ersten Sitzung der „Steuerungsgruppe“ nicht hinter dem Berg, und für Dienstag war noch ein Protest von Schülern und Lehrern angekündigt worden. So kam Scheeres’ Haus offenbar zu dem Schluss, ohne Sonntag ein leichteres Spiel beim Fusionsprozess zu haben: In einem zehnminütigen Gespräch wurde ihm dann am Dienstag früh die Abfuhr erteilt.

Gute Noten bei der Schulinspektion

„14 Jahre Arbeit und dann so ein Vorgehen – was ist das für ein Stil“, lautete der erste Kommentar des Schulleiters, der sich auch durch seine hervorragende Kooperation mit Sekundarschulen und vielfältige Aktivitäten einen Namen gemacht hat. Im Schulinspektionsbericht bekam er zweimal die Bestnote.

„Das schockiert mich als Mensch und als Personalrat“, reagierte der stellvertretende Personalratsvorsitzende Herbert Hannebaum.. Holger Sonntag habe "viel Kraft und Herzblut" in die Schule investiert. „Da ist was gewachsen, und auch die Kollegen fühlen sich wohl“, lautet Hannebaums Einschätzung.

„Wir verfolgen das Vorgehen der Bildungsverwaltung mit großer Sorge, weil Plan und Ziel nicht erkennbar sind“, kommentiert Ronald Rahmig von der Vereinigung Berufliche Bildung in Berlin. Dem Vernehmen nach soll Sonntag noch vor den Herbstferien gehen.

"Ohne Sinn und Verstand", sagen die Grünen

„Die Marcel-Breuer-Schule ist eine super Schule. Es ist ohne Sinn und Verstand, den Schulleiter abzuberufen“, ärgerte sich die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Stefanie Remlinger. Aus einem überschaubaren Problem habe Scheeres’ Haus einen „Flächenbrand“ gemacht, da das ganze Netzwerk der Schule in Gefahr sei. Die Schule kooperiert im Bereich der gymnasialen Oberstufe eng mit der Heinz-Brandt- und der Reinhold-Burger-Sekundarschule: beides ehemalige Brennpunkt-Hauptschulen, die sich durch gute Leitungen hochgearbeitet haben. Somit leisten diese Schulen genau das, was die Bildungsverwaltung sich von den OSZ und Sekundarschulen ohne eigene Oberstufe erhofft.

Der Staatssekretär geht an die Öffentlichkeit

Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) reagierte am Mittwoch auf die Berichterstattung mit einem Brief an Sonntag, den Rackles auch öffentlich machen ließ. Darin heißt es, Sonntag habe eine "kooperative Grundeinstellung vermissen lassen" und keine Bereitschaft erkennen lassen, den Fusionsprozess voranzubringen. Im Übrigen hielt er dem Schulleiter vor, von sich aus bereits nach anderen beruflichen Perspektiven in der Lehrerbildung Ausschau gehalten zu haben. Schulleiterkollegen schrieben ihrerseits ebenfalls an Rackles und protestierten gegen den Umgang mit Sonntag. Der Schulleiter selbst sagte am Mittwoch auf Anfrage, er habe noch nicht entschieden, ob er gegen die Umsetzung vorgehe. Wie die Gerichte einen solchen Fall beurteilen würde, war bislang nicht zu erfahren.

Auch bei einer anderen Fusion gab es Ärger

Die Bildungsverwaltung ist unter Druck, weil es angesichts der Schülerzuwächse zu wenig Schulraum in Berlin gibt. Sie kann es sich daher nicht leisten, dass Gebäude nicht ausgelastet sind. Schon im Jahr 2015 hatte ihr Vorgehen bei einer geplanten und dann auch vollzogene Fusion Kritik und Unverständnis ausgelöst, wobei es nicht nur um die Entscheidung an sich, sondern auch um das fehlende Krisenmanagement der Schulaufsicht ging, als die angesehene Friedrich-List-Schule für Wirtschaftssprachen ihr Haus in Schöneberg aufgeben musste. Sie wurde mit dem Oberstufenzentrum Bürowirtschaft II in Lichtenberg fusioniert.

Hinweis: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es: "......Die harschen Proteste der Bautechniker, die gepaart waren mit im Schulhaus aufgehängten Todesdrohungen gegen Schulleiter Holger Sonntag, führten allerdings im Juni dazu, dass Scheeres eine Kehrtwende unternahm....".

Sofern hierdurch der Eindruck entstanden sein sollte, dass die Bautechniker die Todesdrohungen selber aufgehängt hätten, stellen wir klar, dass dies nicht der Fall war. Die Redaktion.

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