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Viele Polizisten in Berlin sind nicht mehr richtig in Schuss.

© Jörg Carstensen/dpa

Personalprobleme in Berlin: Viele Polizisten sind nur noch bedingt einsetzbar

Die Zahl der Polizisten, die den hohen Anforderungen des Berufs nicht mehr gewachsen sind, steigt weiter an. Das verschärft die Personalprobleme in den Direktionen.

Die Berliner Polizei ist überaltert, unterbesetzt, schiebt einen enormen Überstundenberg vor sich her und gilt als unterbezahlt. Die Stimmung bei den Beamten ist schlicht mies. Die Auswirkungen dieser Arbeitsbedingungen kann man an einer Zahl ablesen: 1192. So viele Polizisten waren mit Stand September 2016 dauerhaft oder temporär verwendungseingeschränkt. Etwa jeder 16. Polizist ist in Berlin also polizeidienstunfähig, teilte die Pressestelle der Polizei auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Verwendungseingeschränkt sind Beamte, die durch chronische Erkrankungen, Verletzungen oder psychische Probleme nicht mehr vollumfänglich für den Polizeidienst geeignet sind. Meist sind diese Polizisten nicht mehr im Außen- und Nachtdienst einsetzbar, viele gelten auch als ungeeignet, einen Streifen- oder Funkwagen zu führen. Bei 571 Beamten und Beamtinnen des Vollzugsdienstes sei diese Dienstunfähigkeit dauerhaft, teilte die Polizei mit. Bei weiteren 621 Dienstkräften besteht nach gutachterlicher Einschätzung des Polizeiärztlichen Dienstes die Hoffnung, dass die Polizisten innerhalb von zwei Jahren wieder volle Verwendungsfähigkeit erlangen. Eine Garantie gibt es dafür allerdings nicht.

Die Zahl verwendungseingeschränkter Polizisten nimmt rapide zu. Innerhalb von zwölf Monaten stieg die Zahl der dauerhaft und temporär eingeschränkten Polizisten von 1079 auf 1192 – ein Anstieg um über zehn Prozent. Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), äußerte sich besorgt über die Entwicklung. „Die steigende Zahl verwendungseingeschränkter Mitarbeiter sollte zu denken geben, denn sie ist Zeugnis der enormen Überbelastung. Einige Direktionen haben jetzt schon Probleme, einen geeigneten Platz für die betroffenen Kollegen zu finden“, sagte Jendro.

Besonders akut in Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf

Verwendungseingeschränkte Beamte sollen eigentlich unter Berücksichtigung ihrer individuellen Einschränkungen eingesetzt werden. Oftmals bleiben aber nur Schreibtischjobs oder Telefonarbeiten in der Leitzentrale – dort ist der Bedarf endlich. Besonders angespannt soll die Situation bei der Polizeidirektion 2 – dem Bereich für Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf – sein, wo laut Angaben der Polizeigewerkschaft 97 dauerhaft verwendungseingeschränkte Polizisten angestellt sind. „Die Behördenleitung darf die Direktionen nicht allein lassen, sondern muss eine Verteilung gerade bei Härtefällen zentral koordinieren“, fordert Jendro, der mit weiter steigenden Ausfallzahlen rechnet.

Für die anderen fünf Direktionen liegen lediglich Zahlen vor, die dauerhaft und temporär verwendungseingeschränkte Mitarbeiter gemeinsam zählt. In allen Direktionen stiegen diese Zahlen, nominell am höchsten ist sie in der Direktion 6 im Osten der Stadt, wo 207 Beamte dauerhaft und zeitweilig polizeidienstunfähig sind.

CDU sieht Fehler bei der damaligen rot-roten Landesregierung

Für Burkard Dregger, Innenexperte der CDU, ist diese Entwicklung alarmierend: „Die Zahlen zeigen, dass wir auf Verschleiß fahren.“ Für die jetzige Situation seien die Sparmaßnahmen in den zehn Jahren der rot-roten Landesregierung verantwortlich. Tatsächlich wurde aber erst gegen Ende dieser Regierungskoalition ein Stellenabbau vorangetrieben. Die folgende Koalition von SPD und CDU speckte weiter ab – daran änderte auch CDU-Innensenator Frank Henkel nichts. Kamen 2009 noch 4,9 Polizisten auf 1000 Einwohner, sank die Zahl auf aktuell 4,5 Vollzugsbeamte je 1000 Berliner – und diese Quote wird sich nach der aktuellen Personalplanung für die Polizei bis Ende 2019 nicht verbessern.

Um die Berliner kurzfristig zu entlasten, fordert Dregger „kreative Lösungen“. Konkret will der CDU-Politiker ausgeschiedene Bundeswehr-Soldaten in einer verkürzten Ausbildung umschulen. Eine weitere Idee, die Dregger diskutieren wolle, seien Wachschutzpolizisten, wie sie in Sachsen zum Einsatz kommen.

„Mit diesen alten Ladenhütern aus der Mottenkiste holt Herr Dregger niemand hinterm Ofen hervor“, sagte dagegen Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD. „Jeder, der geeignet ist, ist bei der Polizei willkommen“, sagte er. Die Ausbildungszeit sei aber Sache der Einstellungsbehörde und nicht des Parlaments. Zimmermann widersprach dem Vorwurf, auf Verschleiß zu fahren und betonte, man steuere um. So investiere man in neue Ausrüstung, habe eine Besoldungserhöhung erlassen und treibe den Stellenausbau im Zuge der Haushaltsverhandlungen voran.

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