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Petitionsausschuss legt Bericht vor: Das Soziale verursacht die meisten Beschwerden bei den Berlinern

Mit dem Petitionssausschuss sind die Volksvertreter wirklich nahe am Volk. Manche Fälle in der Bilanz des Vorjahres zeichnen ein Bild desolater Ämter, die Bürger sogar in existenzielle Not bringen können.

Manchmal fällt es schwer zu glauben, dass im Abgeordnetenhaus die Volksvertreter der Berliner sitzen – etwa, wenn in Fachausschüssen zu großes Parteientheater auf zu kleiner Bühne aufgeführt wird. Ganz anders dagegen der Petitionsausschuss, in dem zwölf Abgeordnete sich unter Vorsitz von Andreas Kugler (SPD) im vergangenen Jahr in 39 Sitzungen mit rund 2000 Eingaben von Bürgern befasst haben. Etwa jedes dritte Anliegen wurde online eingereicht.

In vielen Fällen ging es um existenzielle Probleme, die keineswegs immer nur Einzelne betrafen. So häuften sich im Herbst die Beschwerden von Schülern und Azubis darüber, dass das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf ihre Bafög- Anträge monatelang nicht bearbeitete. Weil das Amt auch – trotz der entsprechenden gesetzlichen Option – die Zahlung von Vorschüssen verweigerte, gerieten Betroffene in akute Existenznot. Doch helfen konnte ihnen der Petitionsausschuss bisher nicht: Der Bezirk verwies auf Personalmangel, die daraufhin eingeschalteten Senatsverwaltungen halfen ebenfalls nicht. Das Problem ist ungelöst, der Ausschuss will dranbleiben.

Während in diesem Fall bisher nur das Problem erkannt wurde, gingen andere besser aus: Ein Bezirksamt bearbeitete nach zweimaligem Nachhaken den Erstattungsantrag eines pflegebedürftigen Grundsicherungsempfängers, den es zuvor mehr als zwei Jahre lang verbummelt hatte. Vor einer Schule am Dahlemer Weg wurden Parkverbote verhängt und Warnschilder aufgestellt, damit Kinder sicherer über die Straße kommen.

Eine Großmutter, die ihr geistig behindertes Enkelkind nach dem Tod von dessen alkoholkranker Mutter 14 Jahre lang aufopferungsvoll betreut hatte, erhielt auf Intervention des Ausschusses zwar nicht das geforderte Pflegegeld, aber eine pauschale Entschädigung von 20 000 Euro. Zuvor habe das Jugendamt der Großmutter sogar unterstellt, sie habe ihre Enkelin nur des Geldes wegen in Pflege genommen – was offenkundig nicht stimmte.

Vor allem dieser Fall zeigt, wie wahr der Satz ist, der im Vorwort zum Jahresbericht steht: „Entscheidungen von Behörden des Landes Berlin können falsch sein“, heißt es da. In Zahlen: 28 Prozent der Fälle seien zugunsten der Petenten ausgegangen. In weiteren 24 Prozent habe der Ausschuss zumindest mit einer Auskunft helfen können. 36 Prozent negative Entscheidungen bedeuten allerdings, dass längst nicht jede Eingabe im Sinne des Absenders ausging.

Der Bereich Soziales führt mit rund 400 Eingaben nicht nur die Liste der Eingabethemen an, sondern fällt auch durch eine relativ hohe Erfolgsquote auf: Etwa die Hälfte der Fälle ging für die Betroffenen mindestens teilweise positiv aus. Mehrere im Bericht geschilderte Einzelfälle zeichnen das Bild desolater Ämter, deren zu wenige Mitarbeiter unter Aktenbergen regelrecht verschüttet sind.

Bei der Justiz – Ermittlungen, Gerichtsentscheidungen, Haftbedingungen – als zweitplatziertem Themenbereich lag die Erfolgsquote der Petenten dagegen unter zehn Prozent. Als weitere Schwerpunkte folgen Jugend und Familie sowie Probleme von Behinderten. Auch die Rubrik „Regierender Bürgermeister“ liegt mit 83 erledigten Fällen noch im vorderen Drittel der Liste. Wobei sich die Beschwerden zumeist nicht gegen Klaus Wowereit richteten, sondern gegen die neue Rundfunkgebühr, für die formal der Regierende zuständig ist.

Seine besondere Bürgernähe demonstrierte der Petitionsausschuss auf mehrfache Weise: Klagen einer Anwohnerin über den Lärm eines benachbarten Hostels wurden zweckmäßigerweise an einem Freitagabend überprüft. Zum Thema „Gewalt in Bussen und Bahnen“ wurde nach mehreren Vorfällen öffentlich mit Experten beraten, die Reihe der Jobcenter-Besuche wurde mit einem Termin samt Sprechstunde in Neukölln fortgesetzt, und auch in den Einkaufszentren der Stadt waren die Ausschussmitglieder unterwegs. Stefan Jacobs

Abgeordnetenhaus von Berlin, Petitionsausschuss, 10111 Berlin, Telefonnummer: 2325 1476, Telefaxnummer 2325 1478, E-Mail: petmail@parlament-berlin.de

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