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Die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus - die Arbeit im Parlament hatten sie sich anders vorgestellt.

© dapd

Piraten üben Selbstkritik: „Wir bleiben hinter den Erwartungen zurück“

Bei den Piraten ist Ernüchterung eingekehrt. Von der anfänglichen Euphorie ist bei den Berliner Abgeordneten kaum noch etwas übrig. Manche üben sich jetzt in Selbstkritik und wollen den Neustart wagen. Doch einfach wird der nicht. Intern gibt es Frust.

In einem sind sich die Piraten im Abgeordnetenhaus immerhin einig. „Wir sind bisher hinter unseren Möglichkeiten, aber auch hinter den Wünschen und Erwartungen zurückgeblieben. Das haben alle so gesehen“, sagt Pavel Mayer, Piratenabgeordneter, mit Blick auf die Fraktionsklausur vor rund zwei Wochen. Nun soll der Neustart gelingen. Für den aber gibt es Hindernisse.

Sich gegenseitig noch einmal so richtig „auf den Teppich kotzen“. So nennen die Piraten, was sie zu Beginn der Klausur taten. Einen Tag lang wurde geschimpft, schließlich musste, mal wieder, ein Mediator helfen. Einer der Gründe, warum sich die Fraktion nach wie vor so ausgiebig mit Streitereien beschäftigt: Ein „Wir-Gefühl“ haben die 15 Parlamentspiraten nie entwickelt.

Auch bei der Klausur wurde wieder debattiert: Soll die Fraktion nur eine Plattform sein, organisatorische Unterstützung für 15 Einzelkämpfer bieten? Oder wollen die Abgeordneten ihre Kräfte bündeln und arbeitsteilig als Fraktion arbeiten? Einig ist man sich in dieser Frage nicht. Dazu kommen menschliche Probleme, von mit Hingabe gepflegter Antipathie bis hin zum teilweise rüden Umgangston, etwa wenn es auf Twitter heißt, ein Fraktionskollege solle „die Fresse halten“. Einer der Abgeordneten sagt: „Wir sind wie eine Fußballmannschaft, in der nie jemand abspielt.“

Der alte Fraktionsvorstand hat es nicht geschafft, viel auszurichten. Fabio Reinhardt, bis vor kurzem stellvertretender Vorsitzender, sagt: „Der alte Vorstand war nicht mehr arbeitsfähig, wir haben irgendwann nur noch darüber entschieden, welche Farbe neue Büromöbel haben sollen und uns schließlich gar nicht mehr getroffen.“

Die Berliner Piraten in Bildern

Nun soll es eine neue Führungsspitze besser machen, mit Andreas Baum und Christopher Lauer als Fraktionschefs und Heiko Herberg als parlamentarischem Geschäftsführer. Aber bei manchen sorgen die Umstände dieser Wahl für Unzufriedenheit, zum Beispiel bei Reinhardt. Er sagt, es sei zwar grundsätzlich bekannt gewesen, dass Martin Delius sein Amt als parlamentarischer Geschäftsführer abgeben wolle, um sich auf den Vorsitz des BER-Untersuchungsausschusses zu konzentrieren. Aber dass die Entscheidung nun tatsächlich gefallen war, habe er erst durch eine Pressemitteilung erfahren. Reinhardt spricht von einer Überrumpelungstaktik. Es sei das Szenario an die Wand gemalt worden, die Medien könnten die vermeintlich führungslosen Piraten zum Sommerlochthema machen: „Christopher Lauer hat angekündigt, dass er im Zweifel seine Kontakte spielen lassen und dafür sorgen werde, dass die Medien dies tun.“ Auf Nachfrage wollte sich Lauer zu diesem Vorwurf nicht äußern. Er teilt lediglich mit: „Das Verhältnis zwischen Fraktion und Landesverband ist gut, die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Landesverbandes ist fruchtbar.“

Bildergalerie: Die Pannen der Piraten

Trotz solcher Uneinigkeiten hoffen die Fraktionäre, dass es nun aufwärts geht. „Die Stimmung hat sich seit der Klausur entscheidend verbessert“, sagt Simon Kowalewski. Doch ein Hindernis bleibt: das problematische Verhältnis zur Basis. Die nämlich ist misstrauisch gegenüber den 15, die sich nun vielleicht für die besseren Piraten halten könnten. Es gibt zwar optimistische Stimmen, etwa jene von Kowalewski. Er sagt, die Kommunikation mit der Basis sei sehr gut, und es komme viel inhaltlicher Input. Bei vielen Fraktionskollegen allerdings klingt das ganz anders. „Das Maß an Anfeindungen und Unterstellungen, das einem entgegenschlägt, hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt Pavel Mayer.

Und ein anderer Abgeordneter formuliert: „Es gibt an der Basis ein regelrechtes Feindbild namens Fraktion“. Komme er nach einem Zehn-Stunden-Tag im Abgeordnetenhaus eine halbe Stunde zu spät zu einem Parteitreffen, heiße es bloß: „Na, lässt sich der Herr Abgeordnete auch mal wieder blicken?“ Umstritten ist auch: Wie viel muss inhaltlich von der Basis kommen – und wie viel haben jene zu leisten, die nun immerhin für ihre politische Arbeit bezahlt werden? Jener Abgeordnete, der auch vom Feindbild Fraktion spricht, sagt: „Von der Basis kommt sehr wenig Input, ich sauge mir alles aus den Fingern.“ Namentlich will er sich aber nicht zitieren lassen.

Und auch das Thema Transparenz ist für die Piraten noch nicht ausgestanden, nachdem es zuletzt parteiintern Ärger wegen der Klausur hinter verschlossenen Türen gab. Bald nimmt der BER-Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf. Mit Streit rund um die Frage, ob die Piratenfraktion vertrauliche Informationen veröffentlichen soll, ist zu rechnen.

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