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Berlin: Plattgemacht

Luft aus den Reifen PS-starker Autos gelassen Verfahren gegen drei Studenten wurde eingestellt

Platte Reifen an PS-starken Autos hielten die drei Studenten für eine gute Idee. Sie wollten damit ein „friedliches, aber deutliches Zeichen“ setzen. Die selbst ernannten Klimaschützer, die am Montag vor Gericht standen, wurden vor zwei Jahren in Wilmersdorf als mutmaßliche „Luftablasser“ gefasst. Sie standen vor dem Richter zu ihrem Vorhaben in jener Nacht. Tätig aber wurden sie angeblich nicht: „Vor Ort fanden wir Autos, an denen bereits Luft abgelassen war.“

Sie sind 25, 26 und 27 Jahre alt. Zwei von ihnen studieren Politikwissenschaften, einer Archäologie, einer bekommt ein Stipendium vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, ein anderer verdient sein Geld als Clown in einem Kinderzirkus. Dass platte Reifen für die Polizei kein Dummejungenstreich sind, wurde ihnen in der Nacht zum 27. September 2007 klar: Handschellen klickten, die Wohnungen wurden durchsucht, Computer beschlagnahmt. Rund 16 Stunden saßen sie in Polizeigewahrsam.

Begonnen hatte die Aktion „Luftablassen“ in Berlin im Juli 2007 in Zehlendorf und Grunewald. Unbekannte drückten Steinchen oder Stifte in die Ventile, damit die Luft langsam entweicht. An den Tatorten hinterließen sie Nachrichten. Man habe das Riesenauto vorübergehend stillgelegt, hieß es in Flugblättern. Der Besitzer müsse sich nun zu Fuß auf den Weg machen und habe dabei Zeit, über ein kleineres Fahrzeug nachzudenken. Die Bekennerschreiben waren nicht unterzeichnet. Stattdessen hieß es häufig lediglich: „Vielen Dank für Ihre Mühe!“ Einen Zusammenhang zwischen den Tätern, die Luft ablassen, und jenen, die Autos anzünden, sahen die Ermittler nicht.

Die drei Studenten hatten in Zeitungen von dieser Form des politischen Protestes gelesen. „In der Mensa redeten einige Kommilitonen über eine größere Aktion in einer bestimmten Nacht“, erklärten sie vor Gericht. Es sei darum gegangen, „die ganz alltägliche Normalität einer Lebensweise zu stören, die geradewegs in die Klimakatastrophe steuert“. Gegen 2 Uhr schlichen sie um Geländewagen und Limousinen. Eine Anwohnerin alarmierte die Polizei. Acht Autos sollen sie am Ludwigkirchplatz, in der Pariser Straße und in der Bayerischen Straße „angegriffen“ haben. Nach ihrer Version aber waren andere Klimaschützer mit den gleichen Flugblättern in der Tasche schneller.

Juristisch muss beim Luftablassen geprüft werden, ob eine „erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung“ vorliegt. Wie ärgerlich sie für die Autohalter ist, wurde im jetzigen Prozess nicht mehr erörtert. Auch ein Urteil war in diesem Fall aus Sicht von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht erforderlich. Mit einer Geldauflage könne das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt werden: Gegen Zahlung von je 400 Euro wird das Verfahren gegen die Studenten eingestellt. K. G.

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