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Berlin: „Pocky-Horror-Show“

In Zehlendorf gingen Freiwillige testweise zur Impfung

An langen Tischreihen nehmen Helfer mit roten Armbinden Personalien auf und lassen Fragebögen ausfüllen. Mit einem weißen und einem rosa Laufzettel werden die Menschen weitergeschickt – zu Männern in weißen Overalls, mit Mund und Nasenschutz. Dort werden die Ärmel hochgekrempelt. Dann wird geimpft – allerdings nur fiktiv. Denn der Ernstfall einer Massenschutzimpfung nach einem Terroranschlag mit Pockenviren wurde in der Zehlendorfer Nord-Grundschule am Sonnabend nur geübt.

Rund 500 Freiwillige aus den Bezirksverwaltungen waren gerufen worden, das Volk darzustellen. „Sie haben die Aufgabe, die gesamte Impfstätte zu durchlaufen“ steht auf dem Merkblatt, das am Eingang zum Schulhof verteilt wird. Geduldig wird in der Schlange gewartet. Richtig aufgeregt ist niemand, denn es wird ja nicht wirklich geimpft. Nebenan, im Küchenzelt des Malteser-Hilfsdienstes, ist die Kartoffelsuppe schon alle. Es gab sie nur für das Impfpersonal, das schon drei Stunden vor Übungsbeginn anrücken musste.

Ziel der Übung des „Arbeitsstabs Großschadenslagen“ der Gesundheitsverwaltung war die Prüfung, „ob die angedachte Strategie zum Betrieb einer Impfstätte zweckmäßig und durchführbar ist“. Im Ernstfall sollen stadtweit an 135 Impfstellen pro Tag je 5000 Berliner immunisiert werden. Ursprünglich sollte die Übung geheim bleiben – damit nicht Berichte über mögliche Pannen die Bevölkerung verunsichern. Dann wurde die Presse doch informiert.

Vor der Schule protestieren Vertreter von Ärztevereinigungen gegen diese „Pocky-Horror-Show“. Die Wahrscheinlichkeit eines Pockenanschlags sei gering, weil die Viren nur noch in zwei Hochsicherheitslaboratorien in den USA und Russland existierten. Eher würden Terroristen Chemiewaffen einsetzen oder ein Atomkraftwerk sprengen, so eine Sprecherin. Und im unwahrscheinlichen Fall einer Pockenerkrankung reiche es aus, die Kontaktpersonen zu immunisieren. Massenimpfungen würden eine Sicherheit vor Terroranschlägen dagegen nur vortäuschen – und seien wegen der Nebenwirkungen selbst gefährlich. Auf eine Million Pockenschutzimpfungen, so die Ärzte, kommen ein bis zwei Tote und 50 Invalide, etwa jeder tausendste Geimpfte erkrankt schwer. du-

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