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Berlin: Politiker sollen sich rosenholzen lassen

Neue Agenten-Datei: FDP will Abgeordnetenhaus und Senat auf Stasi-Verstrickungen prüfen lassen

Die Berliner Abgeordneten werden sich womöglich einer weiteren Stasi-Überprüfung unterziehen. Das will FDP-Fraktionschef Martin Lindner mit seinen Kollegen von SPD, CDU, Grünen und PDS diskutieren und dann im Parlament beantragen. Lindner begründet seinen Plan mit eventuellen neuen Erkenntnissen aus den „Rosenholz-Dateien“. Das sind mikroverfilmte Karteien der Stasi-Auslandsabteilung HVA. Sie enthalten Daten über Stasi-Spione im Westen und über das Inlandsnetz der HVA. Die Dateien wurden vor kurzem in Form von 381 CD-Roms von der CIA an die Stasi-Bundesbeauftragte Marianne Birther überstellt. Die CIA hatte schon früher Erkenntnisse aus den Dateien dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, damit Spione verfolgt werden konnten. Doch ist nicht ausgeschlossen, dass auf diesem Wege alte Beziehungen zwischen westdeutschen oder West-Berliner Politikern und der Stasi entdeckt werden.

Deswegen will Lindner, dass die Prüfung der Parlamentarier und der Senatoren und Staatssekretäre „noch mal durchgeführt wird“. Und diesmal will er mehr erfahren als bei der ersten Prüfungsrunde der laufenden Legislaturperiode. Senatoren und Staatssekretäre sind schon einmal auf Stasi-Beziehungen geprüft worden. Doch hatte es sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vorbehalten, den Ehrenrat des Parlaments über etwaige Erkenntnisse zu informieren – angeblich aus Rücksicht auf den damaligen Wirtschaftssenator Gregor Gysi. Diese schleusenhafte Stellung Wowereits im Informationsfluss will Lindner nicht mehr akzeptieren: „Was da der Regierende Bürgermeister zu suchen hat, ist mir schleierhaft.“

Bislang stößt der FDP-Antrag nur bei der CDU auf ungebremste Sympathien. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Frank Henkel hält eine neue Prüfungsrunde „für dringend geboten“. Bis jetzt, sagt Henkel, hätten die Ostdeutschen bei allen Überprüfungen unter einem „Generalverdacht“ gestanden. Die Rosenholz-Dateien enthielten aber vor allem Erkenntnisse über Westdeutsche. Das sei gerade für Berlin mit seiner west-ost-gemischten Politik und Verwaltung interessant. Außerdem schulde man die Suche nach Spionen auch den Opfern der SED-Diktatur, sagt Henkel. Skeptischer sind die Grünen. „Es wird für uns sicherlich entscheidend sein, wie Marianne Birthler das Material einschätzt“, sagt der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland. Neue Erkenntnisse erwartet er – anders als Lindner und Henkel – aber nicht. Wieland erinnert daran, dass schon vor zehn Jahren Listen kursierten, die „ziemlich präzise“ die aufführten, die in West-Berlin für die Stasi gearbeitet hatten.

Die SPD-Fraktion muss über die Frage laut ihrem Sprecher Peter Stadtmüller noch diskutieren. Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) betont allerdings, dass in vielen Überprüfungsrunden seit dem Ende der DDR die Zahl derer, über die es Erkenntnisse in den Akten gab, nicht größer geworden sei. Es müsse „irgendwann mal Schuss sein“ mit den Stasiprüfungen. Viele derer, die unter Verdacht standen, hätten sich „demokratisch bewährt“, sagt Momper. Und diejenigen, die sich strafbar gemacht hätten, würden ohnehin belangt.

Womöglich wird gerade die PDS für eine neue Prüfungsrunde eintreten. Drei ihrer 33 Abgeordneten hatten sich in der laufenden Legislaturperiode nicht überprüfen lassen – zwei angeblich wegen des immer wieder erneuerten Generalverdachts gegenüber Ostdeutschen: Sie könnten jetzt ihre Meinung ändern. Die dritte Verweigerin allerdings, Margit Barth, lehnte ab wegen eines laufenden Rechtsstreit wegen ihrer angeblichen Stasi-Mitarbeit.

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