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Politische Beteiligung: Bürger wollen sich stärker einbringen

Laut einer neuen Umfrage fordern zwei Drittel der Wahlberechtigten mehr Transparenz und Mitentscheidungsrechte bei staatlichen Vorhaben. Der Berliner Justizsenator Heilmann verspricht Nachbesserung - äußert aber auch Skepsis.

Bei der Diskussion der künftigen Flugrouten für den Flughafen BER in Schönefeld hätten die Anwohner von Anfang an stärker beteiligt werden sollen. Das findet der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin, Volker Hassemer. „Das Gespräch zwischen Bürgern und Entscheidern hätte früher stattfinden müssen“, sagte der einstige Berliner Senator am Montag bei der Vorstellung einer neuen Infratest-Studie zur Bürgerbeteiligung. Anlass ist eine Tagung der Herbert- Quandt-Stiftung an diesem Dienstag zur bürgerschaftlichen Mitverantwortung.

„Es gibt ein wachsendes Misstrauen gegenüber der Politik“, fasste Infratest-Geschäftsführer Richard Hilmer die aus Anlass der Tagung erarbeitete bundesweite Studie zusammen. 62 Prozent der Wahlberechtigten fühlen sich bei Planungsvorhaben zu wenig oder gar nicht informiert. Vor allem bei Energieprojekten, in der Steuer- und Verkehrspolitik sowie bei „allgemein wichtigen Gesetzen“ wollen Bürger stärker beteiligt werden. Hilmer attestiert zunehmende Distanz vor allem gegenüber politischen Parteien. Gehörten vor zwanzig Jahren noch vier Prozent der Deutschen einer Partei an, seien es heute nur zwei. Dennoch: „Das politische Interesse ist nach wie vor sehr hoch.“ Um dem Interesse Genüge zu tun, müsse die Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungen als „Grundrecht“ wahrgenommen werden, fordert Hassemer.

Die Piraten wollen eine neue Initiative

Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU) will im Senat darauf hinwirken, dass Bürger „früher und unmittelbarer“ an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden, wie er am Montag sagte. Dafür sei „ein Lernprozess auf beiden Seiten“ erforderlich. So gebe es schon viele Beteiligungsmöglichkeiten, die aber nur von wenigen Bürgern genutzt würden. Generell könnten allerdings die Bezirke bei Bauverfahren mehr dafür tun, Bürger während der Entscheidungsfindung der Experten zu befragen – und nicht erst hinterher. Als positives Beispiel nannte er Steglitz-Zehlendorf.

CDU-Fraktionschef Florian Graf weist auf die Grenzen der Bürgerbeteiligung hin: „Die Entscheidungen selbst sollen auch in Zukunft durch die repräsentative Demokratie gewährleistet sein.“ Dennoch sei es richtig, „frühzeitig Transparenz und Verlässlichkeit bei den politischen und parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen sicherzustellen“. Bürgerbeteiligung „sichert Berater und Begleiter, anstelle von Wutbürgern.“

Die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus will am Donnerstag eine Initiative vorstellen, um Bürger stärker an der Arbeit des Parlaments zu beteiligen. Volksinitiativen und Volksbegehren sollen auch online unterzeichnet werden können. Außerdem soll das Quorum für Volksinitiativen herabgesetzt werden – von 20 000 Unterschriften auf 2500, damit ein Vorhaben dem Parlament vorgelegt wird.

Die Infratest-Studie bewertet die partizipative Wirkung des Internets ambivalent: Einerseits sähen gerade Jüngere hier neue Wege der Bürgerbeteiligung. Politisch weniger interessierte und passivere Menschen fühlten sich allerdings von der Informationsflut und der Komplexität des Mediums überfordert.

Die spontane Teilnahme an der heutigen Tagung ist noch möglich, mehr Informationen online unter www.herbert-quandt-stiftung.de

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