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Frei bleibt frei. Der Volksentscheid zur Bebauung des Tempelhofer Felds 2014 war eine Niederlage für den Senat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Politische Mitbestimmung in Berlin: Senat gegen mehr Bürgerbeteiligung

Laut Koalitionsvertrag wollte die rot-schwarze Koalition die Bürger stärker politisch einbinden. Doch jetzt lehnt sie gleich mehrere entsprechende Vorstöße der Opposition rundweg ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat hält nichts davon, dass die Bürger mehr als bisher auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen. Die bestehenden plebiszitären Elemente hätten sich in der Praxis bewährt, es gebe „gegenwärtig keine Veranlassung zu grundlegenden Änderungen“, heißt es in einer Stellungnahme der rot-schwarzen Landesregierung zu einem Parlamentsantrag der Opposition. Diese Position von SPD und CDU steht in krassem Widerspruch zu ihrer erklärten Absicht, die Bürgerbeteiligung zu stärken. Das zeigt ein Blick in die 2011 geschlossene Koalitionsvereinbarung, die bis 2016 gilt.

Grüne, Linke und Piraten fordern unter anderem eine Zusammenlegung von Volksentscheiden mit allgemeinen Wahlen, wenn die Initiatoren der Abstimmung dies verlangen. Außerdem solle es möglich sein, Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, auch Gesetze, durch ein „Einspruchsreferendum“ der wahlberechtigten Bürger aufzuheben. Ein weiterer Vorschlag der Opposition: Das Landesparlament kann den Berlinern, wenn mindestens 75 Prozent der Abgeordneten dies wollen, „einen Gegenstand der politischen Willensbildung zur verbindlichen Entscheidung vorlegen“.

SPD-Fraktionschef argumentierte kürzlich noch für mehr Mitbestimmung

Diese Idee griff der SPD-Fraktionschef Raed Saleh kürzlich in einem Beitrag für den Tagesspiegel auf. „Wer wird in Zukunft noch dagegen sein, das Volk bei wichtigen Großprojekten zu befragen?“, schrieb Saleh. Als Beispiele nannte er den Ringschluss bei der Stadtautobahn und die Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Die Politik könne mutig sein und selbst das Votum der Bevölkerung zu Richtungsentscheidungen einholen. In der Stellungnahme der Regierung zum Oppositionsantrag ist dieser Mut nicht erkennbar: „Der Senat sieht gegenwärtig kein Erfordernis für die Einführung verbindlicher Parlamentsreferenden.“

Keine Volksentscheide an Wahlterminen

Abgelehnt wird auch eine rechtliche Verpflichtung, Volksentscheide auf Wahltermine zu legen. Obwohl die erfolgreiche Volksabstimmung zum Tempelhofer Feld, die gemeinsam mit der Europawahl im Mai 2014 stattfand, sogar zu einer höheren Wahlbeteiligung führte. Der Senat hält auch nichts von „Einspruchsreferenden“, mit denen Entscheidungen des Parlaments gekippt werden können. Dies widerspreche dem Leitbild der repräsentativen Demokratie, dafür gebe es „im Land Berlin keinen Bedarf“.

Keine Rückstellung von Entscheidungen für Volksbegehren

Der Senat ist auch nicht bereit, im Zuge eines Volksbegehrens die zur Abstimmung stehende Entscheidung zurückzustellen, bis das Ergebnis des Volksentscheids feststeht. Die Begründung: „Ein praktisches Bedürfnis für ein – unter Umständen mehrmonatiges – Handlungsmoratorium“ sei auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen nicht erkennbar. Außerdem wäre dies eine „unverhältnismäßige Einschränkung der Entscheidungsbefugnisse der Exekutive.

Keine Senkung des Wahlalters bei Abgeordnetenhauswahlen

Abgeblockt wird auch die Forderung der Opposition, das Wahlalter bei den Abgeordnetenhauswahlen auf 16 Jahre zu senken. In Hamburg und Bremen, Brandenburg und Schleswig-Holstein wird das schon praktiziert. Aber in Berlin stehe dies „gegenwärtig nicht auf der politischen Tagesordnung“, steht in der Stellungnahme des Senats.

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