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Berlin: Pop und Propaganda

Wie Fremde in dem neuen Haus begrüßt werden

Erst liegt vor den großen Schaufenstern ein Buchstabensalat. Zwei Stunden später formen die Lettern schon „Scientol“ an der oberen Etage des sechsstöckigen Gebäudes an der Otto-Suhr-Allee Ecke Cauerstraße. Im Foyer der neuen Berliner Repräsentanz von Scientology hängen riesige Plakatwände, die die Lehre des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard erläutern, dazwischen Regalwände voller Bücher: „Dianetik – Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit“, so etwas wie die Heilige Schrift der Scientologen, geschrieben von Hubbard.

Kaum ist die Besucherin vor eine der Plakatwände getreten, kommt auch schon ein Mitarbeiter im grauen Anzug und sagt: „Sie sind aber fremd hier im Haus!“ Der herbeieilende Pressesprecher Frank Busch, ein schlanker Mann mit grau meliertem Haar, geschätzte Mitte 40, führt durchs Foyer und möchte die Welt aus Scientology-Sicht erklären. Er klickt auf Bildschirme, auf denen fröhliche Menschen zu Softpop-Klängen versichern, wie Scientology ihr Leben verbessert habe. Oder wie gefährlich der Berufsstand der Psychiater sei. „Sehen Sie, wir sind ganz offen hier“, sagt Busch immer wieder. Die Offenheit endet allerdings an der Treppe zum zweiten Stock. „Die anderen Etagen sind nicht freigegeben“, sagt Busch freundlich.

Schnell möchte er auch den Raum wieder verlassen, in dem Novizen psychologische Tests durchlaufen müssen. Auf einem Tisch steht ein schwarzes Messgerät, an das über Kabel zwei Metallzylinder angeschlossen sind. Dies sei der „E-Meter“, sagt Busch und drängt einen weiter. Jene Zylinder, erklärt er auf Nachfrage, nehme man beim „Auditing“ in die Hände, das Gerät messe dann Stromflüsse, die Bereiche von Kummer und Schmerz im Körper anzeigten. „Auditing“ ist eine der umstrittenen Therapiemethoden der Organisation.

Wieder im Foyer bietet Busch der Besucherin Dokumente an, die angeblich die Chefin der Abteilung Scientology beim Hamburger Innensenator belasten. Er hole sie gerne von oben, wiederholt Busch trotz deutlichen Kopfschüttelns. Dass Scientology über solche Dokumente verfügen will, überrascht nicht: Laut Verfassungsschutzbericht 2005 beschäftigt die Organisation Mitarbeiter, zu deren Aufgaben auch die „Sammlung von Informationen über Gegner und Kritiker“ gehört.

Dass sich besorgte Anwohner an die Sektenbeauftragte des Senats wenden, seit Scientology das neue Haus bezogen hat, kann Scientology-Sprecherin Sabine Weber jedoch gar nicht verstehen. Im Übrigen: „Es gibt immer Leute, die etwas zu meckern haben.“ clk

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