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Berlin: Potemkin lässt grüßen

Am Leipziger Platz entstehen immer mehr Häuser – doch viele Fassaden sind nur aus Stoff

Fürst Potemkin hätte bei einem Besuch des Leipziger Platzes seine helle Freude; er könnte sich als Vorbild fühlen. Vielleicht fiele ihm auch gar nichts Außergewöhnliches auf. Denn hier müssen Passanten inzwischen schon sehr genau hinsehen, welche der Häuser echt sind und welche nichts als aufgedruckte Stoffplanen.

Jetzt haben die Investoren des „Potsdamer Tors“ an der Ecke Ebertstraße ihr Bauvorhaben hochgezogen – als Kulisse. Ein Paar Stockwerke aus Stoff fehlen noch. Auch das „AvD-Palais“ ist Attrappe. Die Kanadische Botschaft ist eingerahmt von Nachbarn, die nur sehr oberflächlich sind. Mit vielen Kulissen hatte einst der russische Fürst der Zarin Katharina II. bei ihrem Besuch ein blühendes Gemeinwesen vorgegaukelt – die Potemkin’schen Dörfer.

Auch am Leipziger Platz ist ein Täuschungsversuch zu beobachten, der vielleicht noch weitere Nachahmer unter den Investoren der Umgebung findet. Zur Fußball-Weltmeisterschaft soll sich der achteckige Platz halbwegs komplett präsentieren, was angesichts massiver Baulücken eine gestalterische Herausforderung ist. Mittes Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) muss die Aufbauten, nicht zuletzt wegen der komplizierten Statik der Gerüste, genehmigen – das ist ihr bislang offenbar nicht ganz leicht gefallen. Sie versteht, dass mit den Kulissen der typischen Oktogon-Form optisch nachgeholfen werden soll. Sie stört aber die großflächige Werbung, die mit den Stoffplanen verbunden ist. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sehe das aber nicht so eng. Manuela Damianakis von der Senatsbehörde bestätigt: „Die Kulissen sind nicht gegen unseren Willen.“

Mit dem Bau des wirklichen Büro- und Geschäftshauses „Potsdamer Tor“ an der Nahtstelle zum Potsdamer Platz ist nach Ansicht der Stadträtin im nächsten Jahr zu rechnen. Die Investoren vom AvD-Palais warten noch auf einen „Ankermieter“, der mindestens 3000 Quadratmeter nutzen müsste. Vorher sei mit dem Baubeginn nicht zu rechnen. Das Projekt ist längst genehmigt. Für das ehemalige Wertheim- Grundstück, die größte Freifläche am Platz, liegen derzeit weder Anträge für wirkliche, noch für Kulissen-Bauten vor. Gegenüber dem Bundesratsgebäude, wo gerade drei Büro- und Geschäftshäuser entstehen, ist in unmittelbarer Nachbarschaft die große Brandwand eines Altbaus nahezu genial mit Plane bespannt worden. Zu sehen ist ein Bürohaus, in das man hineinzusehen glaubt, so plastisch wirkt es. Nicht nur ortsfremde Passanten wollen nicht glauben, dass die Fassade zum potemkinschen Platz gehört und einfach nur schöner Schein ist.

Christian van Lessen

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