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Berlin: Praktische Politik, taktische Politik

Die einen beklagen „Personenkult“ um Wowereit – andere hoffen, dass er hilft

Nach der einstimmigen Kür von Klaus Wowereit zum Spitzenkandidaten für die Wahl im September blickt die politische Konkurrenz teils mit mildem Lächeln, teils mit Skepsis auf den SPD-Landesparteitag vom Freitagabend. Auf dem hatten die Sozialdemokraten sich selbst und den Regierungschef gefeiert, der die Genossen mit einer Rede mit Passagen wie dieser betörte: „Wir haben noch vieles gemeinsam vor: Berlin, die SPD und ich. Lasst uns anpacken, damit Berlin vorankommt und jeden Tag ein Stück gerechter, erfolgreicher und toleranter wird. Es lohnt sich, für Berlin zu kämpfen.“

„Die SPD hatte fast ein Vierteljahrhundert Zeit, ihre Ziele zu erreichen“, erklärten daraufhin die Grünen-Landeschefs Bettina Jarasch und Daniel Wesener. Das Wahlprogramm zeige, dass die Sozialdemokraten „keine Visionen, keine klare politische Linie und keine frischen Ideen für Berlin“ hätten. Das SPD-Motto „Zusammenhalt sichern“ stehe im Widerspruch zum Berliner Rekord bei Kinderarmut, prekärer Beschäftigung sowie Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit. Die Umsetzung und Finanzierung der SPD-Vorhaben bleibe unklar. Immerhin, so die grüne Diagnose, sei die SPD „in einigen ihrer Ziele nicht allzu weit entfernt von unserem Wahlprogramm“.

Allerdings zielte Wowereits schärfste Attacke auf dem Parteitag („Dilettanten darf man nicht die Führung der Stadt überlassen“) hauptsächlich in Richtung der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast und deren Skepsis gegenüber dem Flughafen BBI.

CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel hat Wowereits Rede nach eigener Auskunft nicht verfolgt. In Henkels Umfeld war von einer „reinen Jubelveranstaltung“ die Rede, die – mit Ausnahme der Pläne für mehr Kitaplätze – wenig Konkretes erbracht habe. Zufrieden sind die Christdemokraten mit Wowereits erneutem Bekenntnis zur Verlängerung der Stadtautobahn und zum Großflughafen. „Es sind keine unüberwindbaren Hürden da“, resümiert einer in der CDU, die bekanntlich gern wieder mitregieren würde.

FDP-Chef Christoph Meyer, der davon zurzeit nur träumen kann, sagte, die SPD setze „auf Personenkult und das Prinzip Wowi statt auf Themenkompetenz“.

Die in ihrem demoskopischen Sinkflug von Wowereit allein gelassenen Linken wünschen ihrem Seniorpartner aus taktischen Gründen alles Gute: Weil viele eigene Sympathisanten notfalls Wowereit wählen würden, um Künast zu verhindern, könne ein ganz sicherer Vorsprung des Regierenden sie am Wahltag zu den Linken zurückbringen. Stefan Jacobs

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