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Hummeln im Hintern. So still wie hier steht Ingo Naujoks selten. Der Schauspieler und Musiker ist 48, in Bochum geboren und lebt jetzt am Stuttgarter Platz in Charlottenburg.

© Thilo Rückeis

Update

Premiere im Tipi: Schauspieler Ingo Naujoks singt dem Teufel ein Lied

Es ist der Auftritt der Woche: Schauspieler Ingo Naujoks hat früher im Ruhrpott Musik gemacht – als Punker. Jetzt hat sein erster Berliner Gesangsabend Premiere. In „Apocalypso“ geht es um einen frustrierten Satan.

Ein Lied für den Teufel? Also, ob der nun so unbedingt noch eins braucht? Wo ihm die Rolling Stones doch mit „Sympathy for the Devil“ schon das ultimative Ständchen gesungen haben. Ingo Naujoks zumindest findet, dass Luzifer noch mehr Musik gebrauchen kann. Also hat der Schauspieler ihm gleich ein ganzes Programm gewidmet, „Apocalypso“ mit Namen. Am Dienstag hat es Premiere im Tipi am Kanzleramt.

Als Treffpunkt hat er das „Leonhardt“ am Stuttgarter Platz auserkoren. Mit Rucksack und Koffer kommt er angerollert. Weil er als Stammgast nun in die Kneipe in seinem Kiez einziehen will? Nein, weil’s hinterher mit der Bahn zu Fernsehtalks und Drehbesprechungen nach Hamburg geht, sagt er. Neue ARD-Vorabendserie, Arbeitstitel: „Mord im Norden“. Naujoks spielt eine Hauptrolle, einen Bullen, na klar. Das Krimigenre kennt er aus unzähligen Rollen: vom „Tatort“ oder von „Die Straßen von Berlin“. Das ist die langjährige Serie, die den Bochumer vor 15 Jahren auch privat zum Berliner machte.

Bisschen erkältet sei er, da wäre doch ein Kamillentee schön, sagt er und verschwindet einem Bekannten zuwinkend nach hinten zum „Naseputzen“ im Café. Der Tee kommt, im Gegensatz zu Naujoks. Dumm di dumm, wo steckt der bloß? Dann ist er wieder da. „Tschuldigung, hab’ mich mit einem Bekannten am Tresen verquatscht.“ Setzt sich und erzählt ein paar Sätze lang. Dass er in Berlin neunmal umgezogen ist und seine erste Ehe in Lichtenrade zu Ende ging. Dass er in Bochum Frontmann mehrerer Punkbands war. Und dass er nun mit seiner zweiten Lebensgefährtin und den Kindern in Charlottenburg lebt. „Das ist der richtige Kiez für alte Böcke wie mich, die zu alt sind, um jung, und zu jung sind, um alt zu sein.“ Er rückt ein bisschen näher ran. Hier sei ihm auch die Idee zu den Liedern für den Teufel gekommen, weil er in Charlottenburg viel ruhiger geworden sei. Ruhiger? Er steht doch schon wieder. Holt da einen Stuhl, schnorrt dort eine Zigarette. Hat eindeutig Hummeln im Hintern, der Mann.

Und hat eben Sympathien für den Teufel. Wie die Stones. Und wie Michail Bulgakow in seinem Roman „Der Meister und Margarita“, die Naujoks beide als Inspiration für seine One-Man-Show mit überraschend jazziger Band nennt. „Satan als ein Mann von Welt und Geschmack – wie geil ist das denn?!“, juchzt der Typ, den das Land aus dem Bausparkassenwerbespot „Ich will auch Spießer werden“ kennt. Naujoks hat vor seiner Künstlerzeit mal Philosophie, Deutsch und Komparatistik anstudiert. Beste Voraussetzungen also, um in seinem vom Konzertveranstalter Meistersinger produzierten und von Niclas Ramdohr komponierten Programm nicht nur über den Teufel Lieder zu texten, sondern auch satirisch-sarkastische Conférencen zu halten.

Zumal der Musiker Naujoks sowieso eher ein Sprechsänger als Singsänger ist. Oder, wie er sagt: „eher ein Schreisänger als ein Schönsänger“. In den – in der Showbesetzung Piano, Bass, Gitarre, Schlagzeug auch als Album eingespielten – Songs wie der Titelnummer „Apocalypso“, dem Selbstmördersong „Der letzte Moment“ oder der Trinkerballade „Das Ende der Welt“ ackert sich Luzifer in Gestalt eines abgehalfterten Provinzentertainers an der Heillosigkeit des Planeten ab.

Daran reibt sich auch Endvierziger Naujoks schon, seit er zwölf ist. „Da habe ich das erste Mal im Fernsehen von einer Hungersnot gehört, und jetzt läuft die Scheiße immer noch genauso“, empört er sich. Aha, Gesellschaftskritik. Dann ist die Show wohl der Soundtrack zur aktuellen Krise? Nö, sagt er und rennt mal wieder zum Feuerschnorren-am-Nachbartisch weg, denn es sei ja irgendwie dauernd Krise. „Unsere tonnenschwere Welt mit ihren sieben Milliarden Menschen, die hängt doch am seidenen Faden.“ Das hätte man nun nicht gedacht, dass dieser gesellige Ruhrpottler ein Melancholiker ist. Ihm passe die ganze Richtung nicht, das ganze destruktive Menschheitsprinzip. „Aber ich weiß auch nichts Besseres.“ Da fügt es sich gut, dass jetzt am Stuttgarter Platz erst mal Endzeit ist. Naujoks muss los. Wieder auf die Toilette zum Naseputzen. Dann auf einen Sprung rüber zum Nachbartisch, wo er einen kennt, schließlich zur Bahn. In der Talkshow können die sich schon mal auf was gefasst machen. „Ich geh’ da definitiv nicht hin, um zu schweigen.“ Hoffentlich bleibt er wenigstens sitzen.

Tipi am Kanzleramt, 18.-26. Oktober, Di-Sa 20 Uhr, So 19 Uhr, ab 20,80 Euro

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