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Berlin: Prickelnde Unterhaltung

Fesselnd intellektuell: Der „Erotische Salon“ im Restaurant Tucher

Lolette, 56, gewährt einen kleinen Einblick in ihr Leben, ihr Leben als Hure. Sie sitzt leicht erhöht auf einem kleinen Podest, sie trägt weiße Spitzenhandschuhe und hohe Stöckelschuhe. Seit fünf Jahren arbeitet Lolette als Prostituierte. Freiwillig. Davor war sie 25 Jahre verheiratet, hat vier Kinder bekommen, aber wenig körperliche Nähe. Dann der radikale Entschluss, in einem Bordell zu arbeiten. „Sex ist mein Medikament“, sagt sie.

Lolette ist eine von drei Gastrednerinnen im „Erotischen Salon“. Etwa 70 Zuhörer sind gekommen, um sich im Restaurant Theodor Tucher am Pariser Platz über Sexualität und Erotik auszutauschen. Gastrednerin Lolette passt perfekt in die Kulisse: antike Stühle mit satingrünem Bezug, an der Wand hängen Gemälde im Goldrahmen, im gedämmten Licht glitzern ihre Netzstrümpfe. Dabei wird, wer Schlüpfrigkeit erwartet im Erotischen Salon, enttäuscht. Es geht um Liebe, Sex und Erotik, doch auf gehobenem Niveau. Nicht schmuddelig, nicht anzüglich, voll bekleidet.

Die beiden Initiatoren des „Erotischen Salons“ Silke Maschinger und Enno E. Peter begleiten durch den Abend. Drei Gastredner und eine Vorführung gibt es jeweils. „Sex ist im Fernsehen, in der Werbung, überall, andauernd Thema, aber man tauscht sich nicht darüber aus“, erklärt Peter seine Motivation. Der „Erotische Salon“ will neue Denkanstöße geben, ein offenes Gespräch über Sexualität ermöglichen und ungewöhnliche Menschen vorstellen. Diesen Monat feiert der Salon einjähriges Bestehen. Die Veranstalter nennen ihn eine „Live Talkshow“.

Allerdings hat der Salon mehr von Sabine Christiansens Gesprächsrunde als von Vera am Mittag. Die Gäste lassen sich hier ausreden, akzeptieren die Lebensform des anderen, und die Fragen werden nicht indiskret. Selbst wenn es um Sexualstörungen oder freie Liebe geht, bleiben die Gäste sachlich. „Es gibt bei solchen Themen kein richtig oder falsch“, sagt Peter.

Auf dem Podium haben neben den beiden Veranstaltern schon eine Domina-Ausbilderin, eine Kuschelparty- Organisatorin und Sexualtherapeuten Platz genommen. Es ist eine Art intellektueller Austausch über Sexualität. Manchmal wirkt das ein wenig abstrus. Wenn beispielsweise Lolette über ihr Leben und ihren Beruf als Prostituierte spricht, fragt Peter: „Was gefällt Ihnen an dem Job?“ „Ich lerne viele Menschen kennen, und werde noch bezahlt, Sex zu haben. Und bekomme auch noch in meinem Alter viele Komplimente“, sagt sie. Einige Zuhörer lachen.

Im Publikum viele Akademiker, die Herren sind im Anzug, die Damen tragen Halstuch. In der Pause gibt es Sekt und Wein und dazu – wenn es nach den Veranstaltern geht – anregende Gespräche. Eine ältere Frau mit grünem Pullover und Perlenkette gefällt der Salon: „Es ist ein offener Austausch über Sexualität und nicht oberflächlich“, findet sie. Eine andere Frau sagt, es sei „ein wenig dünn“. Auf einem Sofa in der Ecke sitzt ein Pärchen um die dreißig. Sie findet „es eine spannende Veranstaltung“, er ist sich nicht so sicher: „Manchmal ist es ein wenig skurril.“

Nach der Pause zeigen die Künstler Zamil und maliZ japanische Fesselungen, Bondage genannt. Zamil fesselt maliZ so, dass der Oberkörper der zierlichen Frau auf ihren Beinen liegt, bis sie sich nicht mehr rühren kann. Dabei gibt er Tipps, was man nicht tun sollte („Man fesselt niemanden am Hals – kann zu Atemnot führen“). Das Ganze gleicht einem Einführungsseminar in erotische Fesselspiele – und genau so soll es wohl sein.

Zum Abschluss präsentiert eine Sängerin „erotische Chansons“: „Ich bin ein Vamp, ich ziehe Männer an und aus.“ Alle klatschen. Bis auf maliZ, die ist noch eingeschnürt.

Nächster Salon am 27. Mai, 20 Uhr, Themen sind u.a. Intersexualität und Aphrodisiaka. Ort: Literatursalon im Restaurant Theodor Tucher, Pariser Platz 6a, Mitte, Eintritt 10 Euro, Internetadresse: www.erotischer-salon.de

Britta Buchholz

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