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Pro Reli: Richter könnten die Abstimmung wiederholen lassen

Der Senat warb trotz des Verbots durch das Oberverwaltungsgericht in Anzeigen für Ethik. Juristen sehen nun die Chancengleichheit gefährdet.

Das Gericht entschied am späten Donnerstagabend – zu spät, um noch in der Nacht Konsequenzen zu ziehen. So kam es, dass im Tagesspiegel und in anderen Berliner Zeitungen vom Freitag eine Anzeige stand und dass diese auch in Artikeln erwähnt wurde, obwohl sie eigentlich nicht mehr geschaltet werden darf. In ihr warb der Senat erneut für seine Position, Ethik als Pflichtfach an Oberschulen beizubehalten und Religion nicht als gleichberechtigte Alternative zuzulassen.

In einer Eilentscheidung hatte das Oberverwaltungsgericht am Donnerstagabend entschieden, dass die mit Steuergeldern finanzierte Senatswerbung gegen das Vorhaben der Initiative Pro Reli nicht zulässig ist. Deren Anliegen eines allgemeinen Wahlpflichtfachs Religion steht am Sonntag bei einem Volksentscheid zur Abstimmung. Das Oberverwaltungsgericht begründete die Entscheidung damit, dass die gegen Pro Reli gerichtete Senatsanzeige die Chancengleichheit der Initiatoren des Volksbegehrens verletzt. Kurzfristig hat das Urteil keine Konsequenzen, außer den bislang zwei Senatsanzeigen in je sieben Zeitungen will die Landesregierung bis Sonntag keine weiteren Annoncen schalten.

Nach dem Volksentscheid könnte das Urteil von Donnerstag allerdings noch Folgen haben. Sollte der Volksentscheid am Sonntag scheitern, könnten die Initiatoren von Pro Reli vor das Landesverfassungsgericht ziehen und geltend machen, dass die trotz Verbot veröffentlichten Anzeigen das Ergebnis negativ beeinflusst haben, sagte der renommierte Verwaltungsrechtler Christian Pestalozza dem Tagesspiegel am Freitag. Sollte Pro Reli plausibel machen können, dass die Annoncen einen möglicherweise knappen Ausgang des Volksentscheids beeinflusst haben, „dann könnte das dazu führen, dass der Volksentscheid wiederholt werden muss“, sagt der FU-Professor.

Pestalozza und auch der HU-Verwaltungsrechtler Ulrich Battis sehen im Verbot der Senats-Anzeigenkampagne durch das Oberverwaltungsgericht keinen Widerspruch zu einer Gerichtsentscheidung im Streit um einen anderen Volksentscheid. Als es im vergangenen Jahr um den Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof ging, hatte das Landesverfassungsgericht entschieden, dass der Senat in der Auseinandersetzung Stellung beziehen darf. Da ging es aber nur um Pressemitteilungen und ähnliche nicht direkt mit Steuergeld bezahlte Stellungnahmen, wie die Verwaltungsrechtler hervorheben. Deswegen sei das jetzt ergangene Verbot, im Fall von Pro Reli Steuergeld für Senats-Anzeigen auszugeben, kein Widerspruch zu dem Tempelhof-Urteil.

Während Pro Reli, die CDU und die FDP das Urteil des Oberverwaltungsgerichts am Freitag begrüßten, kündigte der Senat an, juristisch klären zu lassen, inwieweit Steuergeld dafür ausgegeben werden darf, um bei Volksentscheiden die Position des Staates darzustellen.

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